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Donnerstag, 20. März 2025

Babyboomer müssen für die Aufrüstung mitbezahlen

Lisa Nienhaus kommentiert in der Süddeutschen Zeitung das Schuldenpaket der neuen Regierung. Sie fordert: Babyboomer müssen für die Aufrüstung mitbezahlen, denn die junge Generation wird zu sehr belastet.
 

Neue Schulden belasten die nächste Generation

Die neue Regierung plant Schulden in Höhe von einer Billion Euro. Diese kommen zu den 2,5 Billionen bestehenden Schulden hinzu. Das ist eine Steigerung, für die das Land zuletzt 20 Jahre gebraucht hatte - inklusive Finanz- und Corona-Krise. Es ist ein irres großes Paket, Wahrscheinlich zu groß, meint die Autorin. Zwar kann man argumentieren, dass Deutschland mehr Geld in die Verteidigung steckt – aber warum über Schulden? Die Alten werden durch die neue Regierung durch eine höhere Mütterrente und bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Rentner ohnehin bevorzugt.

Es ist erstaunlich, wie wenig Protest von den Jungen kommt

Die jüngere Generation steckt in der Klemme: Durch Zinszahlungen werden ihre Spielräume geringer, gleichzeitig führen die Renten zu weiteren Engpässen: Die Babyboomer gehen nun in Rente und immer weniger Jüngere sind da, um das Geld dafür zu erarbeiten.
Erstaunlich leiste ist bisher der Protest, lediglich die Junge Union protestierte. Die Grünen konnten die sicherstellen, dass es beim Schuldenpaket um „zusätzliche“ Investitionen handelt. Aufschnüren lässt sich das Paket kaum mehr, man sollte allerdings genau hinschauen, was mit den Milliarden passiert.

Die Rentnergeneration soll zahlen

Kaum eine Generation hat so profitiert wie die Älteren. Sie haben in Frieden gelebt, haben es aber schleifen lassen, wenn es um die Sanierung von Straßen und Brücken gehen. Sie sollten jetzt ihren Anteil leisten, z.B. durch einen Steueraufschlag, wie es ihn bei der Wiedervereinigung gab. Man könnte die Renten an die Inflation, statt an die Lohnsteigerung. Wenn die Regierung unbedingt die Mütterrente erhöhen will, sollte sie das Geld bei der aktuellen Rentnergeneration holen. Allerdings hat die Autorin Zweifel, ob die bald Regierenden wie Friedrich Merz, 69, Saskia Esken, 63, und Markus Söder, 58 ihren Anteil leisten werden.

Dienstag, 21. Mai 2024

Ampelkoalition: Das falsche Pedal

In der ZEIT kritisiert Mark Schieritz, dass der Ampel das Geld fehlt, um die großen Probleme zu lösen. Die Lösung könnte in der Veränderung der Schuldenbremse sein – die ist eh perdu.

Viele Gründe fürs Geld ausgeben

Der Autor nennt viele Krisen – und Gründe für Geld ausgeben: Der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise. „Es wäre schon ganz gut, wenn es eine handlungsfähige Regierung gäbe, die Antworten auf diese Herausforderungen formuliert.“ Die FDP fordert in einem Fünf-Punkte-Plan weniger Schulden und niedrigere Steuern, die SPD in einem Zehn-Punkte-Plan genau das Gegenteil. Statt Gesetze zu schreiben versuchen sich die Regierungsparteien zu profilieren.

Die Schuldenbremse hat keinen Bestand

Der Autor ist sich sicher, dass die Schuldenbremse kein Bestand haben wird. Die SPD und Grünen
sind ohnehin für Veränderungen und auch bei der Union plädieren Ministerpräsidenten für Veränderungen. „Es ist also keine politische Konstellation denkbar, in der die Schuldenbremse die nächsten Koalitionsverhandlungen überlebt.“ Eine Aufweichung könnte 40 Milliarden Euro bringen – davon müsste man ziemlich viele Bürgergeld abschaffen – und viermal das Budget des Entwicklungsministeriums streichen.

Einige Probleme ließen sich durch Geld lösen

Durch mehr Geld könnten einige Probleme gelöst werden, wie z.B. Schulden hoch und Steuern runter sowie Rüstung und Rente. Zukunftsprojekte wie die Energiewende könnten vorankommen. Der Autor glaubt nicht, dass die Regierung sich einigen kann, es bleibt die Gefahr, dass diese Regierung viele Altlasten hinterlässt – genauso wie die Vorgängerregierung.

Abgehängt aber schuldenfrei?

Deutschland ist mit einer Schuldenquote von 64,3 % im internationalen Vergleich ein Musterschüler – die USA und Großbritannien kommen mit dem Doppelten klar. Wissenschaftler haben einen öffentlichen Investitionsbedarf auf 600 Milliarden taxiert – will die Bundesregierung lieber schuldenfrei sein? „Lieber nicht“ fordert der Autor.

Freitag, 22. März 2024

Die Schuldenbremse – eine Verrücktheit oder Schutz der nächsten Generation?

Über die Schuldenbremse wird in der Politik heiß diskutiert. Auch in meinem Seminar „Weder gut noch böse – über die Bedeutung von Schulden“ geht es um dieses Thema. Zum Thema Schulden haben ich schon einige Blogeinträge erstellt, u.a. die Frage, wie viel Schulden Deutschland sich leisten kann.

Die Schuldenbremse

Die Schuldenbremse steht seit 2009 im Grundgesetz, d.h. die aktuell diskutierten Veränderungen können auch nur mit Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat verändert werden. Die neue Regelung sieht für die Bundesländer seit 2020 ein vollständiges Verbot von neuen Schulen vor, im Bund besteht bereits seit 2016 die Regel, dass die Neuverschuldung maximal 0,35 % im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betragen darf. In Ausnahmefällen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden – dies geschah während der Corona-Pandemie mehrmals.

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not

Die Befürworter der Schuldenbremse verweisen auf das Sprichwort, dass vorsorgliches Sparen in der Not hilfreich ist – und deshalb die letzten Krisen gut bewältigt werden konnten. Die Politik sollte bei den Ausgaben priorisieren und nicht der nächsten Generation übermäßige Schulen aufbürden.

Investitionen wichtiger

Der dänische Ökonom Kirkegaard nennt die Schuldenbremse im SPIEGEL eine Verrücktheit. Der nächsten Generation bringt es nichts, wenn die Schuldenbremse eingehalten wird, der Klimawandel aber nicht aufgehalten und wichtige Investitionen nicht getätigt werden. Er wehrt sich auch gegen den Vergleich mit der schwäbischen Hausfrau: Staaten sind darauf angelegt, ewig zu leben. Das funktioniert mit einer funktionierenden Wirtschaft.

Sachverständigenrat fordert Reformen

Der Sachverständigenrat fordert, die Schuldenbremse pragmatisch anzupassen. Die Stabilität soll gewährt, die Flexibilität erhöht werden. Nach der Anwendung der Ausnahmeklausel sollte es eine Übergangsphase geben, bis die Regeln wieder gelten. Die Grenze sollten in Abhängigkeit der Schuldenquote flexibel sein, lediglich bei einer Schuldenlast von über 90 % sollte weiterhin die Grenze von 0,35 % gelten, darunter soll eine höhere Quote erlaubt sein. Auch andere Experten fordern Änderungen, z.B. bei der Herausrechnung von Investitionen.

Schuldenbremse als Alleinstellungsmerkmal der FDP

Dazu wird es wohl nicht kommen, denn die FDP selbst nennt die Schuldenbremse ein Alleinstellungsmerkmal. Und sie hat recht, denn weltweit gibt es kaum jemand, der fordert in einer Rezession weiter zu sparen.

Samstag, 9. September 2023

Das Betteln der Industrie um Staatshilfen ist erbärmlich

Karl-Heinz Büschemann schimpft in der Süddeutschen Zeitung über die Bundesregierung und die Industrie. Er hält das Betteln um Staatshilfe für erbärmlich.

Gejammere auf allen Ebenen 

Während der Corona-Krise wurde die Mehrwertsteuer für die Gastronomie gesenkt. Diese Sonderregel wird nun auslaufen. Glaubt man den Vertretern, leiden darunter nicht nur Gastronomen, sondern die gesamte Gesellschaft.
Auch andere Industrien malen den Untergang an die Wand, wenn der Staat nicht sofort handelt. Chipfirmen lassen sich neue Fabriken teuer bezahlen, die Chemieindustrie fordert einen gedeckelten Strompreis.

Milliardenhilfen nicht nötig

Die Reihe der Bittsteller wird immer länger. Wenn eine Branche erfolgreich Geld lockermachen kann, fühlt sich die nächste berechtigt, ihrerseits Ansprüche anzumelden. Wohl nach dem Motto: Wer jetzt nicht bettelt, ist selbst schuld. Die Chancen auf Erfolge stehen gut. Die Regierung plant weitere Ausgaben für Heizungen, soziale Zwecke und denkt weiter über Schattenhaushalte nach. Vermutlich sind es mittlerweile sogar mehr als die offiziell genannten 63 Milliarden Subventionen.

Deutschland ist kein Sanierungsfall

Der Autor wendet sich gegen die Erzählung, dass Europas größte Industrienation ein Sanierungsfall ist. Zwar gibt es Krisensymptome, ein völliger Absturz über Nacht droht aber nicht. Auch die Unternehmen sieht er in der Pflicht: Statt sich um ihre Geschäfte und deren ständige Erneuerung zu kümmern, verwenden Branchen und Unternehmen ungewöhnlich viel Energie darauf, Geld beim Staat einzufordern.“

Innovationen fordern

Die Aufgabe von staatlicher Wirtschaftspolitik ist es, Innovationen zu fördern und Unternehmen zu befähigen, sich immer wieder zu erneuern. Es nutzt also wenig, Geld auszugeben, um bestehende Geschäfte zu retten. Besorgniserregend ist auch, dass Branchen mit der stärksten Lobby Geld vom Staat bekommen.
Es ist Aufgabe des Staates, in Notfällen in die Wirtschaft einzugreifen, mittlerweile ist die Subventionspolitik aber zu weit gefasst. Derzeit zeigt sich die Schwäche des Subventionsstaats: Er kann mit Geld um sich werfen. Optimismus erzeugt er nicht.

Freitag, 30. September 2022

Funktionieren Preisbegrenzungen?

Marc Beise geht in der Süddeutschen Zeitung der Frage nach, ob Preisbegrenzungen jemals funktioniert haben

Preisobergrenzen haben eine lange Geschichte 

Er zeigt auf, dass Preisobergrenzen schon im Römischen Reich gab. Auch in der Bundesrepublik gab es ein Preislimit für Trinkmilch. Und weil es sich um ein urstaatliches System handelt, wundert es nicht, dass es im real existierenden Sozialismus gang und gäbe war. Jüngstes Beispiel ist der Mietendeckel, der den stark steigenden Mieten Grenzen setzen sollte;

Freie Preise als Herzstück der Marktwirtschaft

Die Preisobergrenzen widersprechen der Marktwirtschaft, der den frei findenden Preis als Herzstück hat. Angebot und Nachfrage sollen dafür sorgen, dass Investitionen dorthin gehen, wo Geld benötigt wird, zum Beispiel im Wohnungsmarkt.
Deshalb könnten Preisobergrenzen negativ wirken: Wohnraum wird immer knapper, das Gas am Weltmarkt immer teurer oder die Suche nach alternativer Technik lohnt sich nicht

Bürger müssen bezahlen

Letztlich müssen Bürger die Kosten tragen - über höhere Steuern und geringere Ausgaben des Staates oder über weitere Schulden des Staates. Andererseits räumt der Autor auch ein, dass es sich bei der Gaspreisbremse um eine Notsituation handelt und den Bedürftigen hilft: Sie müssen jetzt weniger zahlen für ein dringend benötigtes Gut. Zum Beispiel für Gas in diesem Winter.

Samstag, 23. Juli 2022

Bleibt uns die (3-D)-Inflation erhalten?

Das ARD-Magazin Plusminus präsentiert in seiner Ausgabe drei Gründe, warum wir wohl auch langfristig mit steigenden Preisen rechnen müssen: die Demoskopie, die De-Karbonisierung und die De-Globalisierung.

Demographie – die Alterung der Gesellschaft

Die Menschen werden älter, es gibt schon jetzt in vielen Bereichen einen Fachkräftemangel in ganz unterschiedlichen Berufszweigen. Dieser Kampf um Mitarbeiter*innen wird mit steigenden Löhnen einhergehen und könnte damit dauerhaft ein Grund für Inflation sein.

De-Karbonisierung – weg von fossilen Brennstoffen

Die Zeit der vergleichsweisen günstigen und fossilen Brennstoffe ist vorbei. Dies ist spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine klar und wird schon aus Klimaschutzgründen notwendig sein. Der Wandel zu Klimaneutralität wird kosten – und damit ein Faktor für steigende Preise.

De-Globalisierung – der Trend zu nahen Produktionsstätten

Ein ebenso durchaus wünschenswerter Effekt ist die Rückkehr vieler Unternehmen zu heimischen Produktionsstätten und zur Lagerhaltung. Bereits die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Abhängigkeit von weltweiten Lieferungen riskant ist, auch hier bestätigt der Ukraine-Krieg den Trend.

Alle drei Ds sind zumindest teilweise positiv zu bewerten, d.h. eine gewisse Preissteigerung bleibt uns wohl erhalten und ist in „normalen“ Zeiten nicht so schlimm.

Freitag, 22. Juli 2022

Die Anstalt zur Inflation – und Friedrich Merz

Sie ist wieder da – die Inflation und die Debatte über geeignete Maßnahmen. In der Satire-Sendung Die Anstalt wurden die Positionen von Friedrich Merz. Er steht sinnbildlich für klassische Aussagen über die Inflation, die nicht (mehr) zutreffend sind.

Wachsende Geldmenge und Inflation

In der Sendung wird Friedrich Merz mit dem Satz zitiert: Je niedriger Zinsen, desto höher Schulden, desto höher Inflation. Nicht nur er verweist auf die Ursache für die Inflation, dass die Europäische Zentralbank in den letzten Jahren den Markt mit Geld geflutet hat.
Dies geschieht allerdings schon seit Jahren, ohne dass die Inflation gestiegen ist – im Gegenteil 2020 drohte sie sogar ins Minus zu kippen.
Entscheidend ist die Umlaufgeschwindigkeit, also die Frage, ob das Geld auch als Nachfrage wirksam wird.

Schulden und Inflation

Auch der Zusammenhang zwischen Schulden und Inflation ist nicht so eindeutig, wie Friedrich Merz diesen darstellt. Es gibt Länder mit einer gigantischen Verschuldung und niedriger Inflation – z.B. Japan und Länder mit einer geringen Verschuldung, aber einer sehr hohen Inflation – die Türkei wird hier als Beispiel genannt. Die bestehende Verschuldung ist also nicht das Problem, zusätzliche Schulden könnten jedoch zur Inflation führen.

Konsumausgaben sind rückläufig

Eine weitere klassische Annahme zur Inflation – die Preise steigen wegen hoher Nachfrage – stimmt in der aktuellen Krise nicht. Die Konsumausgaben sind sogar zurückgegangen. Die Ursache für die steigenden Preise lassen sich im Moment darauf zurückführen, dass das Angebot zu knapp ist. Sieht man von den Energiekosten ab, ist die Kerninflation nicht stark gestiegen. Für die Bürger*innen ist dies gar kein oder nur ein schwacher Trost, die Frage ist aber dennoch, ob die Leitzinserhöhungen bei der Inflationsbekämpfung wirklich helfen oder gar die Wirtschaft in eine Rezession stürzen könnte.

Faktencheck

Wie bei jeder Sendung gibt es einen Faktencheck. Verwiesen wird auf die Süddeutsche Zeitung, die Friedrich Merz einen gefühlten Wirtschaftsexperten nennt. 
Das Dezernat Zukunft bietet Informationen zur Verschuldung und den Konsumausgaben
Über die Gefahren einer Leitzinserhöhung berichtet die Tagesschau

Mittwoch, 8. Juni 2022

Wie viel Schulden kann sich Deutschland leisten?

In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung geht es um den wachsenden Schuldenberg und die Folgen

Schulden können sinnvoll sein

Hier gilt die goldene Regel: Investitionen darf man auch über Kredite finanzieren die laufenden Konsumausgaben nicht
Das Geld kommt durch die Ausgabe von Staatsanleihen aus, die von Zentralbanken, Fonds und Privatinvestoren gekauft werden. Über die Hälfte kommt aus Deutschland, d.h. Millionen Bundesbürger leihen dem Staat Geld.
Grenzen gibt es fast keine: Die Schuldenbremse im Grundgesetz erlaubt Kreditaufnahmen im Umfang von 0,35 %. Im Moment gibt es heftige Debatte, ob die Schuldenbremse wieder eingehalten werden soll.

Zahlt der Staat seine Schulden zurück?

Wer eine Bundesanleihe erwirbt, erhält sein Geld zurück. Oft nimmt der Staat aber weitere Schulden auf, um die Schulden zurückzuzahlen. Die Schulden gehen nie auf Null – müssen sie auch nicht. Je mehr Wirtschaftsleistung eine Gesellschaft hat, desto höher können die Schulden sein. Deutschland hatte Ende 2021 Schulden in Höhe von 2,3 Billionen, dies entspricht einer Quote von 69 %- Im Vergleich zu anderen Staaten ist diese Quote moderat

Ausnahmen zur Schuldenbremse

Die Schuldenbremse kann im Falle von „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituation2n“ ausgesetzt werden. Dies ist während der Corona-Krise geschehen, also die Neuverschuldung 130 Mrd. (20209, bzw. 215 und 140 Mrd. in den Folgejahren betrug.

Folgen für die nächsten Generationen

Die Finanzierung öffentlicher Investitionen kann generationengerecht sein – eine zu hohe Schulden-last kann durch immer höhere Zinsen problematisch sein. Es kann aber auch zu wenig Verschuldung geben – wenn wir nichts investieren z.B. in eine klimaneutrale Zukunft könnte der Planet unbewohnbar werden.

Staatsverschuldung sind wichtig für die private Altersvorsorge

Ohne Staatsschulden hätten Bürger und Unternehmen kaum Möglichkeit ihr Geld anlegen. Sie bringen wenig Rendite, sind aber sicher.
Die Inflation reduziert kurzfristig die Zinslast, langfristig werden die Kosten der Tilgung durch die erhöhten Zinsen höher.

Donnerstag, 26. Mai 2022

Wer soll die Zeitenwende bezahlen?

Mark Schiertz fragt in einem Artikel in der ZEIT, wer für die Zeitenwende bezahlen muss.  

Logik der bisherigen Großkrisen funktioniert nicht mehr

In der Finanz-, Flüchtlings- und Corona-Krise hat der Staat versucht, drohende Wohlstandsverluste durch staatliche Ausgleichszahlen wettzumachen. Energie war zu lang zu billig. Wenn jetzt der Staat Geld ausgibt, haben die Menschen zwar mehr Geld, aber nicht mehr Energie.

Kritik am Gießkannenprinzip

Schiertz kritisiert das Gießkannenprinzip bei der geplanten Benzin-Subventionierung. Nur für kleine Einkommen sollte es einen Ausgleichgeben, wer viel verdient, sollte verzichten. Auch die Aufnahme von Schulden hält er für den falschen weg: Schulden sind in Ordnung, wenn mit dem geliehenen Geld eine Schule gebaut wird. Oder eine Brücke. Wenn also Werte geschaffen werden, die dazu beitragen, dass die aufgenommenen Kredite bedient werden können.

Steuern erhöhen oder Ausgaben kürzen

Um Spielraum im Haushalt zu schaffen fordert Schiertz eine politische Entscheidung. Eine Erhöhung der Steuern, die eher Menschen mit mehr Geld trifft oder Ausgabenkürzungen, von denen in der Regel ärmere Menschen belasten. Die Regierung macht nichts: „Die SPD will nicht kürzen und die FDP keine Steuern erhöhen. Aber die Zeitenwende hat ihren Preis. Die Frage, wer ihn bezahlt, wird die politische Auseinandersetzung dieses Jahrzehnts prägen.“

Samstag, 25. April 2020

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Bereits vor der Corona-Krise haben Crashpropheten Konjunktur. Besonders Marc Friedrich und Matthias Weik sagen seit vielen Jahren das Ende des Euros und teilweise auch des ganzen Wirtschaftssystems voraus.

Sparschwemme statt Geldschwämme?

Marcel Fratzscher analysiert in seinem Gastbeitrag für den SPIEGEL, was an den Argumenten der Crash-Propheten dran ist. Ohne Frage ist die Überschuldung von Regierungen und Unternehmen tatsächlich ein großes Problem, was auch den Bankensektor verwundbar macht.
Statt einer Geldschwemme sieht Fratzscher aber „die viel zu hohen Ersparnissen von Bevölkerung und Unternehmen“ – auch die Deutschen sparen wie die Weltmeister. Hier treffen sich Überschul-dung und Geldschwemme: Die hohen Schuldenberge der einen können überhaupt erst dadurch zustande kommen, dass andernorts zu viel gespart wird.

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Im SPIEGEL haben sich hat Marc Friedrich gleich zweimal zu einem Streitgespräch mit Peter Bofinger getroffen. Beim zweiten Gespräch fühlte sich Friedrich durch die Pandemie bestätigt. Immerhin waren sich die beiden einig, dass sich die jetzige Krise deutlich von der Finanzkrise unterscheidet, da praktisch die ganze Wirtschaft betroffen ist, inkl. vieler Firmen, die gut funktioniert haben und keine Finanzierungsprobleme hatten.
Das war es dann auch – während Bofinger die Aufnahme neuer Schulden die einzige Möglichkeit ist, um aus dem Schlamassel herauszukommen, sind sie für Friedrich die Ursache aller Probleme.

Fragwürdige Finanztipps der Crashpropheten

Schwer zu sagen, wer nun Recht hat. Mir fehlt das Selbstbewusstsein der beiden Herren, die wenig Verständnis für die andere Seite aufbringt. Was ich aber sagen kann, dass ich die Tipps der Crashpropheten für sehr fragwürdig halte. Dies gilt sowohl für die Finanztipps, z.B. den Vorschlag Bitcoins zu kaufen und wird durch die mäßige Performance der Fonds bestätigt, wie der Tagesspiel berichtete Wenn Crashpropheten selbst zu Bruchpiloten werden.

Absurde politische Forderungen 

Völlig absurd wird es bei den politischen Forderungen. Friedrich fordert die Abschaffung der „EU, EZB, all das, was zentralistisch und planwirtschaftlich fern der Menschen ist.“ Nach dem Brexit-Debakel haben viele rechte europäische Parteien die Forderung nach einem Austritt gestrichen – und Friedrich fordert genau das! Zurecht bezweifelt Bofinger, dass sich europäische Staaten international behaupten können. Gewagt finde ich auch, in dieser Zeit, in der wirklich alle nach dem Staat rufen, auf die Heilkräfte des Markts zu hoffen. Der wichtigste Grund bleibt aber politisch: Die Europäische Integration und die Zusammenarbeit hat uns mehr als 70 Jahre Friede gebracht – das dürfen wir nicht gefährden.

Donnerstag, 13. Februar 2020

Warum gibt es keine Inflation mehr?

Wenn die Geldmenge höher wird, kommt es zu Inflation – Güter werden teurer, die Kaufkraft des Geldes verringert sich. So habe ich es in Schule und Universität gelernt. Die letzten Jahren zeigten das Gegenteil: Seit der Finanzkrise wurde die Geldmenge weltweit erhöht, die Inflation ist aber kaum gestiegen. Im Gegenteil, es drohte Deflation, ein Rückgang des Preisniveaus. Während sich die Experten bei der Bewertung der Inflation uneinig sind, herrscht weitgehend Einigkeit, dass Deflation vermieden werden muss, da in der Erwartung sinkender Preise Konsum aufgeschoben würde.

Gibt es einen natürlichen Zins?

Harald Freiberger diskutiert in seinem Artikel Ist die EZB gar nicht schuld an den niedrigen Zinsen die Idee eines natürlichen Zinses, bei dem der Gütermarkt im Gleichgewicht und das Preisniveau stabil ist.
Das würde bedeuten, dass das Angebot, also die Ersparnisse der Bürger der Nachfrage aus den Krediten besteht. Dieses Konzept ist hoch umstritten, viele halten es für ein rein theoretisches Konstrukt.

Angebot und Nachfrage haben sich verändert

Plausibel ist die Argumentation, dass sich beim Angebot und der Nachfrage von Geld einiges verändert haben.
Freiberger nennt hier demographische Ursachen: Die Generation der Babyboomer, die langsam in die Rente kommt, konsumiert heute weniger und spart mehr als frühere Generationen, auch weil sie fürchtet, dass die staatliche Rente künftig nicht mehr reicht
Und auch die Nachfrageseite hat sich verändert. Die digitalisierte Wirtschaft ist weit weniger kapitalintensiv: Ein Konzern wie Facebook braucht nur ein Verwaltungsgebäude und nicht ein weltweites Netz von Fabriken wie ein Automobilkonzern.

Es wird zu viel gespart und wenig nachgefragt

Weniger vorsichtig argumentiert Thomas Fricke, in seinem Essay „Gebt das Geld lieber Leuten, die damit etwas Sinnvolles machen (also nicht den Banken)
Er nennt eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass es ein Zuviel an Erspartem gibt:
•    weil in der Wirtschaft seit Jahren zu wenig investiert wird,
•    Staaten weniger bis keine neuen Schulden aufnehmen,
•    es zu viele Reiche gibt,
•    die Reichen sparen und ihr Geld gar nicht mehr ausgeben (können)
•    und seit der großen Finanzkrise auch sonst einfach zu viel gespart wird;
•    außerdem weil Bilanzen aufgeräumt werden
•    und die Perspektiven zu investieren eher wackelig erscheinen.

Helikoptergeld als Lösung?

Seine umstrittene Forderung: Helikoptergeld. Den Menschen Geld geben, da die eher was Sinnvolles damit machen als die Banken. Seine Rechnung: Hätte die Europäische Zentralbank die 2,6 Billionen, die sie in den Ankauf von Anleihen gesteckt hat, den Bürgern der Euro-Zone gegeben, hätte jeder 7500 Euro. Wenn dieses Geld dann auch noch für klimafreundliche Investitionen ausgegeben werden muss – könnte dadurch ein weiterer Effekt erzielt werden.

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Staatsschulden - System außer Kontrolle?

Das Video ist schon etwas älter, aber es passt gut zur aktuellen Diskussion über Schulden und meiner Reihe über Schulden. Die Dokumentation zeigt eindrucksvoll die Geschichte der Verschuldung von Staaten, dem Aufbau nach dem 2. Weltkrieg, aber auch der massiven Probleme der letzten Jahrzehnte.

Eine riesige Maschine mit Zahnrädern und Kolben

Mir gefällt das Bild, um das komplexe Phänomen: Die Weltwirtschaft als gewaltiges Getriebe, das täglich neue Schulden produziert. Alle Staaten haben Schulden - kein Problem, solang das System nicht außer Kontrolle gerät.

Wendepunkt Liberalisierung und Finanzkrise

Die Autoren nennen die 1980er Jahre mit der Libereralisierung als Wendepunkt: Es gibt Kredite aus dem Nichts, extrem niedrige Zinsen führen zu einer Immoboilienblase, Problemen bei Banken, die letztlich auch Staaten in Gefahr brachten. Die Sparpolitik hat die Situation in den betroffenen Ländern aber noch verschlimmert.

Vermögensabgabe und Steuerflucht verhindern

In der Dokumentation wird auch Thomas Piketty zitiert, der die Reichen zur Kasse bitten und der Steuerflucht verhindern möchte. Ob das so kommt? Es ist in jedem Fall eine sehr sehenswerte Dokumentation:

Auf Dailymotion ist das Video verfügbar.

Freitag, 25. Oktober 2019

Die Bilanz von Mario Draghi - Retter des Euros oder Enteigner der Sparer?

Diesem Mann steht fast niemand neutral gegenüber. Für die einen ist er der Retter des Euros und der Euro-Länder, für die anderen die Ausgeburt des Bösen, der die Zinsen abgeschafft und damit die deutschen Sparer*innen enteignet hat. Wie so oft liegt die Wahrheit wohl dazwischen.

In dieser Presseschau möchte ich drei verschiedene Analysen näher betrachten, beginnend mit der euphorischsten.

Guter Italiener, ökonomisch überforderter Deutscher

Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes schrieb Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE eine euphorische Würdigung über Mario Draghi.
Er bezweifelt die Schuld Draghis an den Nullzinsen und verweist zurecht darauf, dass diese weltweit niedrig sind. Die Schweiz, die von vielen Euro-Gegner ja immer so euphorisch als Vorbild gefeiert wird, liegt der Zinssatz sogar noch niedriger.
Er gibt Wolfgang Schäuble die Schuld an der Krise und sieht in Draghi den Retter:
Wenn überhaupt, dann haben wir Mario Draghi, dem Italiener, zu verdanken, dass wir heute noch so eine stabile Währung haben. Weil er das korrigiert hat, was ein deutscher Finanzminister falsch gemacht hat: der nämlich in der akut eskalierenden Krise nicht richtig mit dem Geld umging, als er den Griechen zu Beginn der Krise, ziemlich genau vor zehn Jahren, jede Hilfe erst einmal stur versagte – was die Zweifel am Willen zur Krisenbewältigung erst nährte und die Panik an den Finanzmärkten erst eskalieren ließ.   

Euro-Retter mit wirtschaftlichen und politischen Risiken 

Positive und negative Seiten sieht Henrik Müller in seiner Kolumne Alles super, Mario?

Retter des Euros - und von Merkels Kanzlerschaft 

Müller würdigt die Rolle Draghis und verweis auf den Beginn zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2011 mit dem drohenden Ende des Euros und einem globalen Finanzcrash. Durch seine legendäre Pressekonferenz den Euroraum mit allen Mitteln zusammenzuhalten im Sommer 2012 hat er der Spekulation ein Ende bereitet.

Es ist keine abwegige Annahme, dass ohne die hyperaktive EZB die Währungsunion entweder explodiert wäre - oder nur durch umfangreiche Transferzahlungen hätte gerettet werden können. In beiden Fällen wäre Angela Merkels Kanzlerschaft vermutlich längst beendet und Deutschlands politische Landschaft stärker fragmentiert, wie das in anderen Ländern längst der Fall ist. Dass Merkel immer noch in einer halbwegs stabilen Koalition regiert, verdankt sie nicht zuletzt dem EZB-Chef.

Draghi hinterlässt wirtschaftliche und politische Problembereiche

Müller verweist aber auch auf Probleme: Die billionenschwere Käufe sind nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen: negative Zinsen bei immer höherer Verschuldung von Staaten und Unternehmen, die bei der nächsten Rezession als Krisenverstärker herausstellen. Besonders seine letzte Entscheidung, Anleihekaufprogramme zu starten sorgte für politische Risse, die seine Nachfolgerin Lagarde nun kitten muss. 

Hat sich Draghi verrannt? 

Alexander Hagelüken argumentiert in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung ähnlich: 
Europas Zentralbankchef hat sich enorme Verdienste um den Euro erworben, doch er hat zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Seine Nachfolgerin muss dringend umsteuern.

(Nicht nur) nach Ansicht von Hagelüken hat Draghi zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Die Nullzinsen verzerren das Geschäftsleben und beschwören auf Dauer Spekulationsblase wie vor der Finanzkrise. 

Große Herausforderungen für Christine Lagarde 

In einem Punkt sind sich wohl alle einig: Christine Lagarde hat es angesichts der weltweiten Verwerfungen keinen leichten Job - man kann ihr nur Glück wünschen!

Freitag, 13. September 2019

Schulden – weder gut noch böse

Schulden sind ein sensibles Thema, das merke ich bei jedem Seminar, in dem es sich um Geld dreht.
Dabei sind Schulden an sich weder gut noch böse, sondern es kommt auf den Zusammenhang an.
Für einen Häuslebauer oder ein Unternehmer kann es absolut sinnvoll sein, Schulden aufzunehmen, um bereits jetzt über das Haus oder die Maschine zu verfügen, die dann später abbezahlt wird.

Über die Höhe der Schulden

Auch die Höhe der Schulden ist nicht immer entscheidend: Der amerikanische Milliardär J. Paul Getty, der sein Vermögen im Ölgeschäft aufgebaut hat, hat in Bezug auf Schulden mal gesagt: Wenn du der Bank 100 US-Dollar schuldest, dann ist das dein Problem. Wenn du der Bank 100 Millionen schuldest, dann ist es das Problem der Bank.

Verschuldete Staaten sind nicht (immer) arm

Industriestaaten sind wesentlich höher verschuldet als Entwicklungsländer, sowohl in Bezug auf die Höhe als auch das Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, das häufig als Gradmesser gesehen werden.
Wenig Schulden bedeutet also nicht unbedingt Reichtum, im Gegenteil gibt es bei den wenig verschuldeten Staaten viele, denen niemand Geld gibt.

Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt

Sogar die Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind nicht immer ein verlässlicher Indikator. Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff hat mal die Schwelle von 90 % als kritische Marke genannt, bis ihm ein Student aufgezeigt hat, dass er sich verrechnet hat.
Lange Zeit hatte Spanien eine niedrigere Quote als Deutschland und während der Euro-Krise trotzdem massiv Probleme an Geld zu kommen – im Gegensatz zu Deutschland.

Inlands- vs. Auslandsschulden

Ein weiteres Kriterium ist die Unterscheidung zwischen Schulden im Inland und Ausland. Auslands-schulden könnten als politisches Druckmittel eingesetzt werden. Aber auch Schulden im Inland sind nicht unproblematisch, es besteht die Gefahr, dass alles kollabiert: Staat, Banken, Versicherungen – und letztlich auch das Vermögen der Bürger.

Sonntag, 10. März 2019

Die Geldflut


Ein interessanter Filmbericht über die Geldflut. Kritisiert wird unter anderem die mit der Geldflut einhergehende Umverteilung - wer hat dem wird gegeben.
Sicher muss man nicht alle Schlussfolgerungen teilen, so habe ich z.B. große Zweifel, ob das Vollgeld wirklich die Alternative ist, dennoch ein absolut sehenswerter Film:



So beschreiben die Macher ihren Film:

Seit Jahren betreiben die Notenbanken dieser Welt eine Politik des billigen Geldes, allen voran die EZB. Sie kauft marode Papiere um Banken zu retten, will das Wirtschaftswachstum ankurbeln, verschuldete Staaten stützen. Was die Staatshaushalte um hunderte Milliarden entlastet, ärgert auf der anderen Seite die Sparer: null Zinsen. Und die neue Geldschöpfung führt weltweit zu einer unkontrollierten, noch nie dagewesenen Geldflut. Experten warnen bereits vor neuen Blasen.
Beispiel Immobilien: Nicht nur in deutschen Großstädten explodieren die Preise. In London kostet ein Einzimmerappartement locker mehr als eine Million Euro. Und immer mehr Geld wandert weg von der realen Wirtschaft in den spekulativen Bereich. Im globalen Casino finden hochkomplexe Finanzwetten statt. Zocken ohne jede Kontrolle. Die Profiteure des Spiels stehen von vornherein fest. Die Reichen werden noch reicher, bei uns und weltweit. "Die Geldflut hat zu einer gefährlichen Umverteilung geführt ", kritisiert Prof. Max Otte, "wer hat dem wird gegeben".

Das Rentnerpaar Eich in Remagen sorgt sich: Was machen sie mit dem Geld ihrer Lebensversicherung bei diesen Niedrigzinsen? Auf dem Sparbuch schmilzt es einfach weg. Wer Schulden hat, darf sich dagegen freuen. Häuslesbauer etwa. Aber auch große Konzerne, die andere Unternehmen schlucken wollen: Sie leihen sich billiges Geld für ihre Zukäufe. Jüngstes Beispiel: Bayer und Monsanto.

Mit der Liberalisierung der Finanzmärkte entkoppelten sich Geldgeschäfte und Realwirtschaft. Heute benötigen nicht nur Banken immer neues, billiges Geld, sondern auch Staaten, um ihre Schuldenberge im Griff zu halten. Eine Art Schneeballsystem. Was passiert mit unserem Geld? Droht eine neue Krise? Der Film "Die große Geldflut" wirft einen neue

Freitag, 8. Februar 2019

10 Jahre Finanzkrise - bis zum nächsten Mal?

Zum zehnten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers und dem Beginn der Finanzkrise gab zahlreiche interessante Artikel und Kommentare.

Für die nächste Krise ist nicht vorgesorgt

Dies ist der zentrale Satz des Kommentars „Die Politik muss bei der Bankenrettung ehrlich sein“ von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung

Er kritisiert den Begriff Bankenrettung: Gerettet wurde jener Umverteilungsmechanismus aus Einlagenverwaltung und Kreditvergabe, der den Kern des Bankgeschäfts ausmacht und ohne den keine große Volkswirtschaft der Welt funktionieren kann. Gerettet wurden jedoch auch und vor allem die Kunden, deren Sparguthaben sich ganz oder teilweise in Luft aufgelöst hätten, hätte der Staat ein Institut nach dem anderen in die Pleite geschickt.

Hulverscheidts Kritik: Die Politik hat nicht genug getan: Zwar sind die großen Geldhäuser der Welt heute mit viel mehr Kapital ausgestattet als 2008, allerdings um den Preis, dass Teile ihres Geschäfts - und zwar die gefährlicheren - in die unregulierte Welt der Schattenbanken abwanderten. Man kann fast darauf wetten, dass die nächste Krise hier ihren Ursprung haben wird. Auch fehlen bis heute eine Finanztransaktionssteuer, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und eine effiziente Begrenzung von Managergehältern. Vor allem aber mangelt es weiter an Offenheit: Warum etwa gibt es immer noch keine einfache Webseite, auf der die Krisenkosten aufgeschlüsselt und begründet werden?

Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise

Hulverscheidt beklagt auch, dass Zahlen erst auf eine Anfrage eines Abgeordneten publik wurden. Und die haben es in sich: Die Finanzkrise wird die deutschen Steuerzahler wohl mehr als 68 Milliarden Euro kosten – jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise.
Cerstin Gammelin kritisiert in ihrem Artikel darüber hinaus, dass die Folgen der Krise auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt sind. Bund, Länder und Kommunen sind weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen.

Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem Nichts losbrechen

Düster auch die Analyse von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung: Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem nichts losbrechen.

Schäfer wendet sich gegen die Kritik an der EZB und deren Chef Mario Draghi, der von vielen verantwortlich gemacht wird., sondern benennt als die wirkliche Schuldige: gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern. Seiner Meinung nach wird hier der Gärtner zum Bock gemacht, denn die EZB hat mit ihrer Geldpolitik ja verhindert, dass die Staatsschuldenkrise in Europa ins Fiasko führte.

Mittellosen US-Bürgern wurden Ramschkredite aufgedrängt

Er sieht die Ursache vor allem in privaten Banken und Kredithaien, die mittellosen US-Bürgern ihre Ramschkredite aufdrängten. Investmentbanker schnürten die Kredite anschließend zu hochriskanten Wertpapieren und verschoben sie, versehen mit viel zu hohen Noten privater Ratingagenturen, rund um den Globus - ein Hütchenspiel, das ins Verderben führte. Auch den Vorwurf an die Aufsichtsbehörden lässt er nicht gelten, schließlich hat die Finanzlobby seit den späten 1980er-Jahren darauf gedrungen, die Kapitalmärkte zu deregulieren - die Politik ließ sich von diesem marktradikalen Denken infizieren.

Schattenbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften als Verursacher

Gefahren sieht er in den bis heute mächtige Schattenbanken, die ähnlich wie Geldhäuser agieren, aber viel schwächer überwacht werden; dazu zählen Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Gesellschaften. Sie verwalten etwa 34 Billionen Dollar - das entspricht der Hälfte dessen, was die Menschheit alljährlich erwirtschaftet. Zudem gibt es nach wie vor Abertausende Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe die Finanzindustrie ihre Geschäfte abwickelt, sie sitzen in Steueroasen in der Karibik ebenso wie in Europa. Diese sogenannten Zweckgesellschaften haben meist nur einen Zweck: Sie sollen das Kapital strengerer staatlicher Kontrolle entziehen.

Die globale Ökonomie bleibt labil und krisenanfällig

Solange die Weltgemeinschaft es weiterhin zulässt, dass die Finanzindustrie ihre Geschäfte in solch trübe Gewässer leitet, besteht die Gefahr, dass scheinbar aus dem Nichts die nächste Finanzkrise losbricht. … Die globale Ökonomie ist und bleibt, trotz aller Maßnahmen, die Politiker ergriffen haben, labil und krisenanfällig.

Die Amateure

Der SPIEGEL-Artikel Die Amateure Ist leider für Abonnenten aufrufbar. Die Autoren kritisieren, dass bis heute nicht vollständig aufgearbeitet ist, welche Fehler die deutsche Politik gemacht hat– und damit die Saat für die nächste Krise gelegt hat.

„Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Nutzen. Aber mit horrenden Renditen“ so der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann. Das hielt die Deutsche Bank aber nicht davon ab, fleißig bei der Wetterei mitzuspielen. Die Autoren kritisieren, dass die Europäer nur halbherzig reagiert haben und anders als die USA mit Zwangskapitalisierung entschieden gehandelt haben.

Die nächste Finanzkrise wäre noch viel schlimmer

Ähnlich argumentiert William White, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zwar sei Dank der staatlichen Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger - oder vom Markt verschwinden würden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen werden zu können wie einst Lehman. "Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen", sagte White. "Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenländern und China."

Geld drucken als bisherige Rettungsstrategie nicht mehr möglich

Die bisherige Antwort auf die Krisen war Geld drucken: Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Seine Forderung: Entscheidend sei, so White weiter, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben - also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhten

Dann bis zum nächsten Mal

Auch Uwe Jean Heuser sieht in der ZEIT die Gefahr für den nächsten Crash. Er argumentiert, dass Finanzkrisen ein „exzessives Kreditwachstum“ vorausgeht – zu viel Geld wird verliehen. Das ist der Fall – sowohl Unternehmen, Staatshaushalte, der Finanzsektor und Privathaushalte haben in den letzten Jahren gigantische Schuldenberge aufgebaut. Die gigantischen Geldmengen haben einen Boom bei Aktionskursen und Immobilienpreisen ausgelöst, aber so der Autor „Irgendwo wartet der nächste Crash“.
Sehr lesenswert auch das Interview mit Gerhard Schick. Der grüne Bundestagsabgeordnete verlässt den Bundestag, um sich auf seine Arbeit bei der Bürgerbewegung Finanzwende zu konzentrieren.
Die Bewegung setzt sich u.a. für eine Schuldenbremse für Banken und eine unabhängige Finanzberatung ein.

Lehmans Lehren

Rudolf Hickel ist ein streitbarer Ökonom, der oft gegen den Mainstream argumentiert hat.
In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung würdigt er einige Maßnahmen von vor 10 Jahren – unter anderem die denkwürdige Versicherung von Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Steinbrück, dass die Einlagen der Sparer sicher sind. 
Andere Maßnahmen kritisiert er aber als nicht stimmig und schiebt die Schuld der einflussreichen Lobbyarbeit zu. Es ist das weltweit überschüssige Geldkapital, das immer wieder zu Spekulationsblasen führt. Die Treiber sind die Vermögenden und Einkommensstarken, die ihre illusorischen Renditeerwartungen auf völlig überschätzte Finanzmärkte konzentrieren.
Seine Forderung: Dabei würde es helfen, dem Übersparen entgegenzuwirken, indem Vermögen und Einkommen gerechter verteilt werden. Erwirtschaftetes Einkommen muss in die Realwirtschaft investiert werden. Dazu gehören auch Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur, die einer nachhaltigen Wirtschaft nützen.