Über diesen Blog

Freitag, 8. Februar 2019

10 Jahre Finanzkrise - bis zum nächsten Mal?

Zum zehnten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers und dem Beginn der Finanzkrise gab zahlreiche interessante Artikel und Kommentare.

Für die nächste Krise ist nicht vorgesorgt

Dies ist der zentrale Satz des Kommentars „Die Politik muss bei der Bankenrettung ehrlich sein“ von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung

Er kritisiert den Begriff Bankenrettung: Gerettet wurde jener Umverteilungsmechanismus aus Einlagenverwaltung und Kreditvergabe, der den Kern des Bankgeschäfts ausmacht und ohne den keine große Volkswirtschaft der Welt funktionieren kann. Gerettet wurden jedoch auch und vor allem die Kunden, deren Sparguthaben sich ganz oder teilweise in Luft aufgelöst hätten, hätte der Staat ein Institut nach dem anderen in die Pleite geschickt.

Hulverscheidts Kritik: Die Politik hat nicht genug getan: Zwar sind die großen Geldhäuser der Welt heute mit viel mehr Kapital ausgestattet als 2008, allerdings um den Preis, dass Teile ihres Geschäfts - und zwar die gefährlicheren - in die unregulierte Welt der Schattenbanken abwanderten. Man kann fast darauf wetten, dass die nächste Krise hier ihren Ursprung haben wird. Auch fehlen bis heute eine Finanztransaktionssteuer, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und eine effiziente Begrenzung von Managergehältern. Vor allem aber mangelt es weiter an Offenheit: Warum etwa gibt es immer noch keine einfache Webseite, auf der die Krisenkosten aufgeschlüsselt und begründet werden?

Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise

Hulverscheidt beklagt auch, dass Zahlen erst auf eine Anfrage eines Abgeordneten publik wurden. Und die haben es in sich: Die Finanzkrise wird die deutschen Steuerzahler wohl mehr als 68 Milliarden Euro kosten – jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise.
Cerstin Gammelin kritisiert in ihrem Artikel darüber hinaus, dass die Folgen der Krise auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt sind. Bund, Länder und Kommunen sind weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen.

Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem Nichts losbrechen

Düster auch die Analyse von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung: Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem nichts losbrechen.

Schäfer wendet sich gegen die Kritik an der EZB und deren Chef Mario Draghi, der von vielen verantwortlich gemacht wird., sondern benennt als die wirkliche Schuldige: gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern. Seiner Meinung nach wird hier der Gärtner zum Bock gemacht, denn die EZB hat mit ihrer Geldpolitik ja verhindert, dass die Staatsschuldenkrise in Europa ins Fiasko führte.

Mittellosen US-Bürgern wurden Ramschkredite aufgedrängt

Er sieht die Ursache vor allem in privaten Banken und Kredithaien, die mittellosen US-Bürgern ihre Ramschkredite aufdrängten. Investmentbanker schnürten die Kredite anschließend zu hochriskanten Wertpapieren und verschoben sie, versehen mit viel zu hohen Noten privater Ratingagenturen, rund um den Globus - ein Hütchenspiel, das ins Verderben führte. Auch den Vorwurf an die Aufsichtsbehörden lässt er nicht gelten, schließlich hat die Finanzlobby seit den späten 1980er-Jahren darauf gedrungen, die Kapitalmärkte zu deregulieren - die Politik ließ sich von diesem marktradikalen Denken infizieren.

Schattenbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften als Verursacher

Gefahren sieht er in den bis heute mächtige Schattenbanken, die ähnlich wie Geldhäuser agieren, aber viel schwächer überwacht werden; dazu zählen Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Gesellschaften. Sie verwalten etwa 34 Billionen Dollar - das entspricht der Hälfte dessen, was die Menschheit alljährlich erwirtschaftet. Zudem gibt es nach wie vor Abertausende Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe die Finanzindustrie ihre Geschäfte abwickelt, sie sitzen in Steueroasen in der Karibik ebenso wie in Europa. Diese sogenannten Zweckgesellschaften haben meist nur einen Zweck: Sie sollen das Kapital strengerer staatlicher Kontrolle entziehen.

Die globale Ökonomie bleibt labil und krisenanfällig

Solange die Weltgemeinschaft es weiterhin zulässt, dass die Finanzindustrie ihre Geschäfte in solch trübe Gewässer leitet, besteht die Gefahr, dass scheinbar aus dem Nichts die nächste Finanzkrise losbricht. … Die globale Ökonomie ist und bleibt, trotz aller Maßnahmen, die Politiker ergriffen haben, labil und krisenanfällig.

Die Amateure

Der SPIEGEL-Artikel Die Amateure Ist leider für Abonnenten aufrufbar. Die Autoren kritisieren, dass bis heute nicht vollständig aufgearbeitet ist, welche Fehler die deutsche Politik gemacht hat– und damit die Saat für die nächste Krise gelegt hat.

„Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Nutzen. Aber mit horrenden Renditen“ so der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann. Das hielt die Deutsche Bank aber nicht davon ab, fleißig bei der Wetterei mitzuspielen. Die Autoren kritisieren, dass die Europäer nur halbherzig reagiert haben und anders als die USA mit Zwangskapitalisierung entschieden gehandelt haben.

Die nächste Finanzkrise wäre noch viel schlimmer

Ähnlich argumentiert William White, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zwar sei Dank der staatlichen Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger - oder vom Markt verschwinden würden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen werden zu können wie einst Lehman. "Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen", sagte White. "Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenländern und China."

Geld drucken als bisherige Rettungsstrategie nicht mehr möglich

Die bisherige Antwort auf die Krisen war Geld drucken: Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Seine Forderung: Entscheidend sei, so White weiter, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben - also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhten

Dann bis zum nächsten Mal

Auch Uwe Jean Heuser sieht in der ZEIT die Gefahr für den nächsten Crash. Er argumentiert, dass Finanzkrisen ein „exzessives Kreditwachstum“ vorausgeht – zu viel Geld wird verliehen. Das ist der Fall – sowohl Unternehmen, Staatshaushalte, der Finanzsektor und Privathaushalte haben in den letzten Jahren gigantische Schuldenberge aufgebaut. Die gigantischen Geldmengen haben einen Boom bei Aktionskursen und Immobilienpreisen ausgelöst, aber so der Autor „Irgendwo wartet der nächste Crash“.
Sehr lesenswert auch das Interview mit Gerhard Schick. Der grüne Bundestagsabgeordnete verlässt den Bundestag, um sich auf seine Arbeit bei der Bürgerbewegung Finanzwende zu konzentrieren.
Die Bewegung setzt sich u.a. für eine Schuldenbremse für Banken und eine unabhängige Finanzberatung ein.

Lehmans Lehren

Rudolf Hickel ist ein streitbarer Ökonom, der oft gegen den Mainstream argumentiert hat.
In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung würdigt er einige Maßnahmen von vor 10 Jahren – unter anderem die denkwürdige Versicherung von Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Steinbrück, dass die Einlagen der Sparer sicher sind. 
Andere Maßnahmen kritisiert er aber als nicht stimmig und schiebt die Schuld der einflussreichen Lobbyarbeit zu. Es ist das weltweit überschüssige Geldkapital, das immer wieder zu Spekulationsblasen führt. Die Treiber sind die Vermögenden und Einkommensstarken, die ihre illusorischen Renditeerwartungen auf völlig überschätzte Finanzmärkte konzentrieren.
Seine Forderung: Dabei würde es helfen, dem Übersparen entgegenzuwirken, indem Vermögen und Einkommen gerechter verteilt werden. Erwirtschaftetes Einkommen muss in die Realwirtschaft investiert werden. Dazu gehören auch Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur, die einer nachhaltigen Wirtschaft nützen.