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Montag, 27. Dezember 2021

Warum wir mehr Optimismus wagen können

Henrik Müller fordert im SPIEGEL mehr Optimismus zu wagen.

Schlechte Nachrichten 2021

Es gab viele schlechte Nachrichten: Die Coronapandemie hat uns weiter im Griff, der Klimawandel ist längt spürbar. An der Ostgrenze von EU und NATO braut sich ein Konflikt zusammen, die USA sind auch unter Joe Biden weiter zerstritten. Ob Deutschlands neue Regierung den Herausforderungen gewachsen ist, muss sich erst noch erweisen.
Dennoch sieht Müller einen „stetigen Strom an Neuerungen, Verbesserungen und graduellen Verhaltensänderungen“ mit „erstaunlichen Folgen“.

Mehr Wohlstand

In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist das deutsche Wohlstandsniveau, gemessen an der inflationsbereinigten Wirtschaftsleistung pro Einwohner, um rund das Zweieinhalbfache gestiegen.
Mit Ausnahme der Finanzkrise 2008/09 und der Coronakrise 2020 ging es immer nur bergauf.

Mehr Wohlbefinden

Zwischen 2000 und 2020 stieg die Lebenserwartung Neugeborener in Deutschland um drei Jahre. Auch das aktuell empfundene Wohlbefinden ist auf hohem Niveau. Müller fordert Probleme nicht zu ignorieren, im Gegenteil: die Thematisierung negativer Entwicklungen sieht er als Voraussetzung für langfristige Wachstumszuwächse.
Er teilt auch nicht das Argument sich von der Wachstumsideologie zu verabschieden, da sich Ressourcenverbrauch und Wohlstandszuwachs längst entkoppelt haben. Aber der Umstieg auf eine klimaneutrale Wirtschaftsweise erfordert keineswegs den Abschied vom ökonomischen Fortschritt, sondern im Gegenteil seine Beschleunigung.

Keine Selbstläufer

Müller betont, dass dies alles kein Selbstläufer ist und verweist auf die Geschichte, in der es immer wieder Rückschläge gab. Es braucht einige Rahmenbedingungen, darunter verlässliche Institutionen, gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine stabile internationale Ordnung. Daher sieht er in aktuellen Krisensymptomen– politische Polarisierung, gesellschaftliche Risse im Zuge der Pandemie, geopolitische Konfrontation – Warnsignale, die das Potenzial haben, den langfristigen Zug des Fortschritts spürbar zu bremsen.
 

Sonntag, 26. Dezember 2021

Fünf gute Nachrichten 2021

Zum Abschluss des Jahres möchte ich Optimismus verbreiten. Zunächst hervorragende Nachrichten, die Hoffnung machen, präsentiert von Christian Stöcker im SPIEGEL 

Erneuerbare Energie

Der Siegeszug ist nicht mehr aufzuhalten: Bereits 2020 stammte 30 % der globalen Elektrizitätsproduktion aus erneuerbaren Energien – 2021 wird es noch mehr. Besonders rasant ist die Entwicklung in China. Bereits zehn Staaten, darunter Norwegen, haben das Ziel 100 % fast erreicht.

Transparente Solarmodule

Transparenten Solarmodulen, die man wie Fenster im Gebäude einbauen oder sogar als Folien auf existierende Scheiben aufbringen kann, sind marktreif. Die Gebäude oder Gewächshäuser der Zukunft könnten künftig rundum mit stromerzeugendem Material eingehüllt sein.

Elektromobilität

Auch hier ist Norwegen Vorreiter: 2020 wurden mehr Elektrofahrzeuge verkauft als Benziner und Diesel zusammen.

Biotechnologie und Lebenswissenschaften

Auch in den Bereichen Biotechnologie und Lebenswissenschaften sieht Stöcker viele Erfolge. Exemplarisch nennt er eine Datenbank mit Strukturvorhersagen über Proteine, die im menschlichen Leben vorkommen. Die Möglichkeiten dieser durch lernende Maschinen erstellte Datenbank wird das Verständnis revolutionieren, wie das Leben funktioniert.

mRNA-Impfstoffe und Medikamente

mRNA-Impfstoffe wurden durch die Impfstoffe gegen Corona bekannt. Sie können aber gemeinsam mit Medikamenten noch viel mehr Krankheiten bekämpfen: gegen Malaria sind Medikamente bereits im Einsatz, gegen Krebs, Tuberkulose und andere Menschheitsgeißel.

Freitag, 17. Dezember 2021

Die unehrliche Inflationsdebatte

In der Süddeutschen Zeitung (nur für Abonnenten) und der Seite der DIW fordert Marcel Fratzscher eine sachliche Auseinandersetzung über die Preissteigerungen, Zinsen und Geldpolitik

Vorwürfe an EZB populistisch, falsch und schädlich

Fratzscher wendet sich gegen die Attacken gegen die Europäische Zentralbank, der insbesondere aus Deutschland immer wieder die absichtliche Enteignung von Sparern vorwirft.

Interpretation der Zahl

Die Zahl von mehr als fünf Prozent ist ein Vorjahresvergleich, im Monatsvergleich sind die Preise in den letzten Monaten gar nicht gestiegen. Vor einem Jahr hingegen drohte Deflation, da viele Preise deutlich gesunken sind. Außerdem wurde ab dem 1. Juli 2020 die Mehrwertsteuer reduziert, die am 1. Januar wieder auf den ursprünglichen Satz erhöht wurde.

Negative Realzinsen nichts Ungewöhnliches

In den letzten 60 Jahren gab es oft negative Realzinsen, d.h. die Inflation war höher als die Normal-zinsen. Auch die Ängste einer Lohn-Preis-Spirale hält Fratzscher für übertrieben, da die Löhne in der Vergangenheit eher gering gestiegen sind. Die meisten Menschen mit geringen Löhnen haben überhaupt keine Tarifverträge und Unterstützung durch Gewerkschaften.

Die Politik ist für hohe Wohnkosten und Energiepreise verantwortlich

Fratzscher verweist darauf, deutlich höhere Preise für nicht klimaneutrale Energiequellen notwendig und richtig sind. Auch für die hohen Wohnkosten trägt nicht die EZB die Verantwortung, sondern die Politik. Menschen mit geringem Einkommen in den Städten sind besonders stark von den hohen Preisen betroffen, dafür darf aber nicht die EZB verantwortlich gemacht werden.

Dienstag, 7. Dezember 2021

Koalitionsvertrag - Arbeit und Soziales

Neue Ansätze auf dem Arbeitsmarkt, wenige Veränderungen bei den Sozialversicherungen. So lassen sich die wichtigsten Pläne des Koalitionsvertrags im Bereich Arbeit und Soziales zusammenfassen. 

Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt

Es war eine der wichtigsten Forderungen der SPD und steht nun auch so im Koalitionsvertrag: bereits im ersten Jahr der Regierung soll der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Die Grenzen für Mini- und Midi-Jobs werden angehoben, die FDP konnte sich bei der Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten durchsetzen.

Bürgergeld und eigenständige Kindergrundsicherung  

Zwei große Veränderungen sind bei der Grundsicherung geplant. Das Bürgergeld soll nicht nur ein neuer Name für Hartz IV werden, sondern durch den Abbau von Bürokratie und bessere Zuverdienstmöglichkeiten auch eine andere Form haben. Durch Bündelung von Leistungen soll eine eigenständige Kindergrundsicherung entstehen, die vor allem ärmeren Familien Vorteile verschaffen soll.

Wenig Veränderung bei den Sozialversicherungen

Bei der Renten- und Pflegeversicherung bleibt fast alles beim Alten. Private Versicherungen bleiben bestehen, auch die von SPD und Grünen angestrebte Erweiterung der Beitragszahler wird es nicht geben. Bei der Rentenversicherung sollen Rentenniveau und Beiträge stabil blieben, eine Aktienrente soll für einen zusätzlichen Schutz bieten. Eine „Offensive für mehr Pflegepersonal“ und eine Prämie für Pfleger*innen – ansonsten gibt es auch wenig Neues im Pflegebereich.

Starke Entlastung unterer Einkommensschichten

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW hat wirtschaftlichen Folgen des Koalitions-vertrags berechnet und kam zum Ergebnis, dass durch die Erhöhung des Mindestlohns und die Kindergrundsicherung vor allem untere Einkommensschichten entlastet werden. Sollte das Bundesverfassungsgericht den Solidaritätszuschlag für die höchsten zehn Prozent der Einkommen streichen, könnten sich die Wirkungen zugunsten Gutverdiener verschieben.

Dienstag, 30. November 2021

Koalitionsvertrag - Finanzen und Wirtschaft

Der Koalitionsvertrag steht. Unter dem Titel "Mehr Freiheit wagen" geben sich SPD, Grüne und FDP ein Programm für die nächsten vier Jahre. Weitere Informationen finden Sie in meinem Blog zur Bundestagswahl. 

In diesem Blog berichte ich über die wichtigsten Vorhaben in den Bereichen Finanzen und Wirtschaft: 

Finanzen 

Es ist vielleicht der wichtigste Punkt, steht aber im Koalitionsvertrag ganz hinten: Wie geht es weiter mit den Finanzen, Steuern und Schulden?
Bei vielen Punkten konnte sich hier die FDP durchsetzen: sie stellt mit Christian Lindner nicht nur den neuen Finanzminister, sondern setzte sich mit der Ablehnung von Steuererhöhung und der schnellen Rückkehr zu Schuldenbremse durch.

Schulden und Investitionen

Um das Klimaziel zu erreichen soll es Investitionen „in nie dagewesenem Umfang“ getätigt werden. Dennoch soll ab 2023 soll dann die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. 2022 könnte sich der Bund also nochmals deutlich verschulden.
Bei der Frage, wo das Geld herkommen soll, bleibt einiges unklar:
Klimaschädliche Subventionen sollen abgebaut werden, aber die größten Brocken Pendlerpauschale wird bleiben.
Außerdem sind Umwege und Schattenhaushalte geplant, so soll sich die Bahn selbst verschulden dürfen, um die Zukunftsinvestitionen zu schultern, ähnliches ist beim Wohnungsbau geplant.
Der bereits bestehende Energie-Klimafonds soll zu einem Transformationsfonds weiterentwickelt werden.

Steuern

Es wird keine Steuererhöhung geben – hier hat sich eindeutig die FDP durchgesetzt. Auch eine größere Steuerreform ist nicht in Sicht. Zwar fordern alle Parteien Entlastung für niedrige Einkommen, da die FDP aber Erhöhungen für andere ablehnt, wird diese wohl nicht kommen. Geplant sind lediglich großzügigere Abschreibungen und Freibeträge.

Wirtschaft und Klima 

Robert Habeck wird Minister für Klima und Wirtschaft und ist damit für das nicht nur für die Grünen wichtige Thema Klimawandel zuständig. Die Grünen übernehmen auch das Umweltministerium, Minister für Verkehr und Digitales wird allerdings mit Volker Wissing ein Liberaler.

Was nicht kommt

Die Grünen mussten auch in diesem Punkt einige wichtige Ziele aufgeben – es kommt kein Tempolimit (das auch die SPD gefordert hatte), keine höhere Bepreisung von Kohlendioxid (das auch die FDP gefordert hatte) und keine Reduzierung von Diesel.

Kohleausstieg kommt idealerweise früher

Der Ausstieg aus der Kohle soll vorgezogen werden – idealerweise auf 2030. Dazu sollen erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden und 2030 80 % des Energiebedarfs decken.

Mehr E-Autos

Es gibt kein Endedatum für Verbrennermotoren, durch das Ziel von 15 Millionen vollelektrischer Autos bis 2030 und das Umschwenken großer Autohersteller könnte dies auch so erreicht werden.

Kein Tempolimit

In einem weiteren wichtigen nicht nur symbolischen Punkt konnte sich die FDP durchsetzen: Es gibt kein Tempolimit auf Autobahnen. Da die FDP mit Volker Wissing auch den Verkehrsminister stellt, werden die Grünen Schwierigkeiten haben, sich in diesem Bereich durchzusetzen.

Unterstützung der Wirtschaft

Unternehmen sollen bei der Transformation unterstützt werden. Die FDP setzte durch, dass höhere Preise von Produkten, die klimaneutral hergestellt werden, sollen vom Staat ausgeglichen werden. Die Grünen setzten durch, dass billige, klimaschädlich hergestellte Produkte aus dem Ausland verteuert werden.

Klimacheck für alle Maßnahmen

Die Grünen hatten gefordert, dass das Klimaministerium ein Veto bei allen Ausgaben bekommen sollte. Geplant ist jetzt nur ein Klimacheck, der zudem von den einzelnen Ministerien durchgeführt werden soll.

Dienstag, 16. November 2021

Die Macht der Tech-Konzerne brechen

Plattformen wie Amazon, Airbnb und Gorillas machen das Leben leichter. Doch diese Dienste sind gefährlich: Die Plattformökonomie droht außer Kontrolle zu geraten. Wie die Politik den Wettbewerb, die Kunden und die Arbeiter jetzt schützen muss beschreibt Simon Gross in der Süddeutschen Zeitung.

Die Daten der Nutzer

Unternehmer der Plattformökonomie wachsen anders, haben andere Kosten und andere Finanzierungsmodellen – und sie bekommen die Daten der Nutzer. Die Plattformunternehmer sind überall präsent: Amazon, Facebook, Uber, AirBnb und Lieferdienste wie Gorillas. Sie haben verkrustete Geschäftsmodelle in Frage gestellt, behandeln ihre Mitarbeiter aber oft schlecht.

Drang nach Monopol

„Wettbewerb ist für Verlierer“ sagt die Silicon-Valley-Ikone Peter Thiel. Es liegt in der Natur dieser Geschäftsmodelle, dass es nur einen oder wenige Anbieter gibt: niemand will zehn Amazons, Ubers oder Airbnbs nutzen. Mit steigender Größe haben sie Nuterdaten, der ihnen einen entscheidenden Wissensvorsprung liefern. Auch wenn sie noch nie Geld verdient haben, werden sie vom Geld von Investoren zugeschüttet.

Was tun gegen die Großen?

Groß betont, dass kleinere Wettbewerber in die Lage versetzt werden sollen, mit den Plattformen zu konkurrieren, z.B. in dem sie den Schatz der Daten teilen müssen. Das EU-Regeln über digitale Märkte könnten hier für mehr Fairness sorgen.

Mitarbeiter schützen

Notwendig ist aber auch, die Mitarbeiter zu schützen. Häufig sind sie als Soloselbständige oder geringfügig Beschäftigte unterwegs und hangeln sich von Job zu Job. Groß fordert eine Erweiterung der Sozialversicherungspflicht und vor allem bestehende Arbeitsschutzregeln besser durchzusetzen.


Freitag, 8. Oktober 2021

Preissteigerung: Muss die Inflation uns Sorgen machen?

In der ZEIT geht es in einer Gegenüberstellung von Pro- und Contra-Argumenten um die aktuelle Preissteigerung: Muss die Inflation uns Sorgen machen?

Ja: Die Teuerung ist auch für die Mittelschicht ein Problem

Lisa Nienhaus sieht in der hohen Inflation ein Problem für viele Menschen, auch den Mittelstand. Wer sein Geld, wie viele in der Mittelschicht, auf dem Konto liegen hat oder als Tagesgeld anlegt, verliert. Inflation kann deshalb schnell zu einer Frage der Gerechtigkeit werden. Sie befürchtet, dass zwei Trends die Inflation dauerhaft steigen lassen könnten: die Alterung der Bevölkerung der Industrieländer und die abnehmende Globalisierung. Wenn die Menschen in Rente gehen, konsumieren sie nämlich mehr, als sie sparen. Das treibt die Preise ebenso wie eine mögliche Rückverlagerung von Industrien in teurer produzierende westliche Länder.
Des Weiteren befürchtet Niehaus eine grüne Inflation durch die höheren CO2-Preise.
In einem weiteren Artikel Her mit den Zinsen beschreit Nienhaus Argumente für eine Zinserhöhung. 

Nein: Die Preise waren vor einem Jahr ungewöhnlich niedrig

Mark Schieritz sieht hingegen keine Anzeichen, dass die Inflation außer Kontrolle gerät. Er verweist darauf, dass die Preise vor einem Jahr ungewöhnlich billig war, so befand sich der Ölpreis auf einem Rekordtief. Auch die derzeitigen Engpässe und damit steigenden Preisen bei Rohstoffen und einigen Produkten sieht er als kurzfristiges Phänomen.
Schiertz wendet sich dagegen, die steigenden Energiepreise durch Zinsen zu begegnen. Sie sind politisch gewollt. Die negativen sozialen Folgen der höheren Energiepreise müssen natürlich eingedämmt werden, durch Energiekostenzuschüsse beispielsweise, durch den Ausbau des Nahverkehrs oder durch Prämien für den Umbau von Heizungsanlagen. Aber nicht durch höhere Zinsen.

Donnerstag, 9. September 2021

Klimakrise: Die Irrlehre von der teuren Ökowende

Susanne Götze räumt in SPIEGEL ONLINE mit einigen Behauptungen zur Klimawandel auf, die auch im Wahlkampf immer wieder kolportiert werden

Belächelte Klimabewegte

Klimaschützer als naiv darzustellen hat Tradition. Vor 20 Jahren wurde prognostiziert, dass durch einen Umstieg auf erneuerbare Energien die Lichter ausgehen würden. Auch heute warnen manche Experten vor Übertreibungen und behaupten, dass der weltweite Wohlstand nur mit Öl, Gast und Kohle zu halten ist. „Oftmals wurde diese Idee noch mit einer Prise Zweifel am menschengemachten Klimawandel garniert – oder zumindest mit einer Anti-Alarmismus-Rhetorik à la »Jetzt mal nicht überreagieren“.

Horrende Kosten für Umweltschäden

Die Kosten für den Wandel der Wirtschaft sind hoch, Arbeitsplätze werden verloren gehen. Die Autorin fragt aber zurecht: Doch wie viele Katastrophen pro Jahr kann sich der Staat langfristig »leisten«? Für wie viele Hitzesommer können Bauern und Waldbesitzer noch entschädigt werden?
Ein Forscherkonsortium schätzt die Kosten der Umweltschäden für Deutschland zwischen 13 und 19 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Das sind zwischen 455 Milliarden und 671 Milliarden Euro – jährlich.

Das Ende des Wachstums, wie wir es kennen

(Nicht nur) für die Autorin ist klar: Wir müssen umsteuern. Der Markt wird diesen Wandel nicht regeln. Sie kritisiert die Milliardenhilfen für fossile Energien: Der angeblich günstige Kohle- und Atomstrom wird direkt und indirekt mit Steuergeldern gepimpert, die alle Deutschen zahlen müssen (Atomendlager, Subvention Steinkohle). Und auch der Diesel und das Flugkerosin genießen weiterhin Steuervergünstigungen. Gleichzeitig wird der Klimaschutz als zu teuer gebrandmarkt. Ihre Schlussfolgerung: Die Lehre von der teuren »Ökowende« ist eine Irrlehre – gestreut von Klimaschutzbremsern.

Donnerstag, 19. August 2021

Die Kosten der Corona-Lockdowns

In einer Analyse in der ZEIT beschäftigt sich Annika Joeres mit den Kosten der Lockdowns. Während man die wirtschaftlichen Folgen in Zahlen ausdrücken kann, bleibt bei den sozialen Kosten nur die These, dass sie sehr hoch sind.

Was haben die Lockdowns gebracht

Der Lockdown sollte Infektionen verhindern, um die Anzahl an Todesopfern und Krankenhauspatienten zu senken. Dem gegenüber stehen Kollateralschäden für Wirtschaft aber auch das gesellschaftliche Zusammenleben.
Die wirtschaftlichen Zahlen sind eindeutig: 5,1 % Rückgang des BIP, 275 Milliarden neue Schulden, was die Schuldenquote von 60 auf 70 % erhöht hat. Das Beispiel Schweden zeigt, dass es wohl auch ohne Lockdown zu einem wirtschaftlichen Rückgang gekommen wäre: Die Menschen schränkten ihre Aktivitäten wie Restaurantbesuche freiwillig ein. Umstritten und wohl kaum zu beziffern ist, wie viele Menschenleben durch die Lockdowns gerettet wurden.

Die sozialen Kosten

Auch bei den sozialen Kosten ist die Bilanz nicht eindeutig. Einerseits war die Schließung der Schulen eine effiziente Methode zur Eindämmung der Pandemie, andererseits kommen neben den Bildungsrückständen psychische Folgen: Psycholog*innen und Psychiater*innen werden förmlich überrannt. 

Langzeitfolgen des Long Lockdown

Zusammengefasst ist eine exakte Benennung der Kosten schwierig. Die Probleme werden uns noch lange beschäftigen und betreffen nicht nur Menschen, die tatsächlich an den Spätfolgen von Covid leiden. Eine Untersuchung von Jugendlichen zeigte, dass viele Kinder unter Konzentrationsschwäche, Müdigkeit und Kopfschmerzen leiden – unabhängig davon, ob sie tatsächlich eine Corona-Erkrankung durchgemacht hatten oder nicht
Für eine angemessene Betrachtung der Folgen der Pandemie und ihrer Bekämpfung wie für die künftige Politik tut offenbar eine neue Kategorie zur Bewertung not: Long Lockdown.

Wer bezahlt die Schulden?

In einer Dokumentation der Reihe ZDF.zoom machen die Autoren den Kassensturz und fragen: Wer muss die Rechnung bezahlen? Alle Steuerzahler, nur Superreiche – oder die junge Generation?

Die Summe ist gewaltig – die Kosten für die Bekämpfung der Corona-Pandemie werden auf rund 500 Milliarden geschätzt. Das Ziel, die Folgen abzufedern hat sich durchaus gelohnt: Arbeitsplätze wurden erhalten, Unternehmen wurden gerettet.

Enorm sind aber auch die Schulden. Zur Frage, wer diese bezahlt, werden in der Dokumentation unterschiedliche Positionen: Finanzminister Scholz setzt neben Wachstum auf eine Vermögenssteuer, der Ökonom Lars Feld setzt auf Ausgabenkürzungen. Interessant auch der Millionär Michael Horbach der sagt „Wir Reichen sind mal wieder dran“. Ein Mitglied des Jugendrats der Generationen befürchtet, dass es letztlich die junge Generation sein wird.

Die ganze Doku finden Sie in der ZDF-Mediathek, einen Teil davon auf dem ZDF-Kanal auf YouTube:

Donnerstag, 5. August 2021

Internationale Mindestbesteuerung - Das Ende der Steueroasen?

Müssen große internationale Unternehmen endlich Steuern bezahlen? Eine Übereinkunft von 131 OECD-Staaten macht Hoffnung auf ein Ende der Steueroasen. Das Konzept sieht zwei Säulen vor: Eine Mindeststeuer von 15 % und eine fairere Verteilung der Steuereinnahmen. Beides gilt nur für große Unternehmen.
Es wird noch schwierig, aber alleine, dass es so weit gekommen ist, ist bereits ein tolles Ergebnis. Mark Schieritz erzählt die Entstehung der Idee und gibt einen Überblick über die Folgen

Mindeststeuer von 15 %

Große Unternehmer ab einer Umsatzgröße müssen mindestens 15 Prozent Steuer bezahlen. Verlangt ein Staat weniger, darf das Herkunftsland die restlichen Steuern einfordern. Beispiel Irland: Hier müssen Unternehmer nur einen Steuersatz von 12,5 % zahlen, die restlichen 2,5 % dürften vom Heimatland des Konzerns verlangt werden. Dadurch entsteht ein Anreiz für alle Länder, mindestens diese 15 % zu verlangen.

Andere Verteilung der Steuereinnahmen

Bislang zahlen Unternehmen dort Steuern, wo sie produzieren. Im digitalen Zeitalter führte das zu Verschiebungen, da Unternehmen behaupteten, ihre Lizenzen seien in Steueroasen zu Hause. Nun sollen große Unternehmen einen Teil der Steuern dort zahlen, wo diese Umsätze anfallen. Unternehmen wie Apple oder Facebook müssten also auch in Deutschland Steuern zahlen. Die Mindeststeuer wäre auch das Ende der Digitalsteuer, die manche Länder eingeführt haben bzw. einführen wollten.

Wer gewinnt und wer verliert?

Deutschland ist ein großer Absatzmarkt und Heimat vieler Weltkonzerne. Es ist also nicht eindeutig, wie die Bilanz für Deutschland aussehen würde. Verlierer sind aber sicher die Steueroasen, die mit minimalen oder keinen Steuern bisher große Unternehmen anlocken. Gewinner hingegeben Hochsteuerländer. „Tendenziell profitieren davon Länder mit großen Märkten, während Nationen eher verlieren, in denen Unternehmen ihren Sitz haben und von dort in alle Welt liefern.“  So Schieritz

Politik als die Kunst des Möglichen

Es ist noch ein langer Weg bis zur Umsetzung, viele Expert*innen bezweifeln, ob dies überhaupt möglich ist. Aber allein die Tatsache, dass sich 131 Länder darauf geeinigt haben, ist symbolisch kaum zu überschätzen. Schieritz schließt deshalb seinen Artikel auch mit den passenden Worten: Es heißt, Politik sei die Kunst des Möglichen. Die Geschichte der Mindeststeuer zeigt, dass manchmal mehr möglich ist als gedacht.

Dienstag, 27. Juli 2021

Der digitale Euro – wird das Bargeld abgeschafft?

Es ist zunächst nur eine zweijährige Probephase und Details müssen noch geklärt werden – mit der Ankündigung die Einführung eines digitalen Euros zu prüfen hat die Europäische Zentralbank dennoch für Aufsehen gesorgt. Was steckt hinter dem Vorhaben?

Ergänzung zu Bargeld und Geschäftsbankengeld  

Bisher gibt es zwei Arten von Geld: (nur) rund 20 % wird in Form von Bargeld genutzt, der Rest sind Gelder, die über Geschäftsbanken abgewickelt werden: Überweisungen, aber auch das Zahlen mit der Kreditkarte, das über die Banken abgewickelt wird.
Beim digitalen Euro könnte das Bezahlen auch über das Smartphone abgewickelt werden, aber ohne Umweg von Banken oder Anbieter wie Paypall. Er würde als Geld in elektronischer Form von der EZB ausgegeben und könnte von Privatpersonen und Unternehmen verwendet werden. Die EZB betont, dass es nur als Ergänzung und nicht als Ersatz für das Bargeld geplant ist.

Macht der Kryptowährungen einschränken

Ein wichtiger Beweggrund für die Einführung ist die Konkurrenz durch andere Kryptowährungen – sowohl Nationalstaaten, die die Einführung planen also Unternehmen wie Facebook, die mit ihrer Idee eine eigene Währung zu etablieren vor zwei Jahren für Aufsehen gesorgt haben. Auch der Boom um Kryptowährungen wie Bitcoin spielt dabei eine wichtige Rolle.

Viel Kritik und Zweifel

Noch sind viele Fragen offen, viele kritisieren und zweifeln am Vorhaben. Die Geschäftsbanken befürchten, dass sie überflüssig werden könnten. In der Tat finde ich den Hinweis, dass die Zentralbank im Gegensatz zu Geschäftsbanken nicht pleitegehen können, fragwürdig. Dies stimmt zwar, schafft aber nicht unbedingt Vertrauen in das System. Deshalb ist es sinnvoll, das ganze Vorhaben kritisch zu prüfen.

Weitere Informationen:

Europäische Zentralbank: Digitaler Euro

Tagesschau: EZB startet Probephase 

NTV: Digitaler Euro - was auf die Verbraucher zukommt

Donnerstag, 8. Juli 2021

Ende des Corona-Lockdowns: Das neue Wachstum

Lisa Nienhaus beschäftigt sich in der ZEIT mit dem neuen Wachstum nach Ende des Corona-Lockdowns.
 

Die Wirtschaft wächst wieder

Es geht bergauf: Dank Exporte geht es der Industrie schon länger besser, nun dürfen auch Geschäfte und Restaurants endlich wieder öffnen. Manche ziehen bereits Vergleiche zu den Roaring Twenties nach dem 1. Weltkrieg oder dem Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren

Das Wachstum ist zurück: Frisch, glänzend, verheißungsvoll

Während des Lockdowns hofften viele auf dauerhafte Veränderungen: weniger fliegen, weniger Auto fahren, Urlaub daheim und Millionen im Homeoffice. Andererseits waren viele Milliarden vom Staat nötig, um das Leben halbwegs am Laufen zu halten, das Wachstum ist zurück: Frisch, glänzend, verheißungsvoll. Und die Lehre aus Corona scheint eher keine neue Verzichtsbereitschaft zu sein, sondern eine neue Wachstumssehnsucht und Freiheitsdrang: Lasst uns jetzt machen, was wir wollen, bitte schön!

Die Klimawende als Geschäftsmodell?

Dennoch kann es nicht so bleiben wie es ist – der Klimawandel bedroht unser Leben und damit auch das Wirtschaftsmodell.
Zurecht fragt Nienhaus, ob die Menschen bereit sein werden, notwendige Mehrkosten zu übernehmen. Sie betont aber auch die Chancen, wenn Firmen grüne Technologien erfinden, weiterentwickeln und zum Geschäft machen

Mit viel Geld zu klimaschonendem Konsum?

Neuhaus verweist auf die Politik von Joe Biden, der auch auf Schulden setzt, um Bürger und Firmen zu klimaschonendem Verhalten zu bringen. „Es ist ein Weg, den die Menschen vermutlich erst einmal besser verkraften. Aber es ist ein teurer Weg. Will man ihn gehen, braucht man umso mehr etwas, das verhindert, dass die steigenden Schulden irgendwann das Land erdrücken. Genau, da ist es wieder: das Wachstum.“

Freitag, 18. Juni 2021

Wirtschaftspolitik in Zeiten der Corona-Krise

Die Landeszentrale für politische Bildung hat in ihrer Reihe „Deutschland und Europa“ eine interessante Broschüre zu den Folgen der Corona-Krise veröffentlicht

Wirtschaftspolitik in Zeiten der Corona-Krise

Im Heft 80-2020 geht es um die wirtschaftspolitischen Folgen, u.a. die Folgen für den Euro und Globalisierung, die Bedeutung des Klimawandel. Über die Seite der Landeszentrale können Sie die Broschüre bestellen oder als PDF herunterladen
Die Broschüre hat folgende Artikel  

  • Die Corona-Krise als DIE zentrale Herausforderung - Ralf Engel
  • Die Corona-Krise: Ökonomische Ursachen, Folgen und Maßnahmen – ein Überblick -  Gustav Horn
  • Systemrelevant und schlecht bezahlt: Unverzichtbare Care-Berufe in Zeiten von Corona - Babara Thiessen
  • Mit mehr Klimaschutz aus der Krise? - Gregor Jaschke, Miriam Dross, Claudia Kemfert
  • Die EZB in der Corona-Krise: Die geldpolitische Reaktion - Jürgen Schaaf
  • Von der Corona-Krise zur Krise im Euroraum? - Markus Demary
  • Die Corona-Krise: Ende der Globalisierung? - Karl-Heinz Paqué

Mittwoch, 10. März 2021

Kommt jetzt die Inflation?

Schon seit vielen Jahren prophezeien einige Experten, dass nun die Inflation kommt. In den letzten Jahren kam diese nicht, obwohl bereits seit der Finanzkrise die Geldmenge massiv ausgeweitert wurde.

Kommt die Inflation dieses Mal?

Seit der Corona-Krise haben die Zentralbanken die Geldmenge nochmals erhöht. Die Staaten haben billionenschwere Rettungspakte beschlossen, sodass manche eine Überhitzung der Konjunktur befürchten.
Charles Goodhart glaubt, dass früher oder später die Alterung der Gesellschaft die Preise treiben wird, weil es zugespitzt formuliert weniger Junge (die produzieren) und mehr Alte (die konsumieren) geben wird

Rückkehr der Geißel

Auch der SPIEGEL befürchtet eine steigende Inflation und macht dies an der rasanten Steigerung der Geldmenge fest. Sie nennen mehrere Faktoren, die sich gegenseitig verstärken und die Prise treiben. Auch der Staat fungiert als Preistreiber: Die Mehrwertsteuer wurde nach sechsmonatiger Absendung zu Beginn des Jahres wieder auf den regulären Satz erhöht, hinzu kommt die Steigerung der Spritpreise durch die CO2-Steuer. Auch Rohstoffe haben sich verteuert.
Ein Grund für die niedrigen Inflationsraten war die Globalisierung – der Zurückgang dieser könnte ein weiterer Faktor sein.

Nur keine Angst

Harald Freiberger mahnt in der Süddeutschen zur Gelassenheit. Neben den bereits genannten Gründen sieht er auch den kommenden Nachholbedarf als weitere Triebkraft. Aber dieser Effekt dürfte nachlassen, sodass nach einer Übergangsphase „wenig Inflation, kaum Zinsen, ein freundliches Klima für Sachwerte wie Immobilien und Aktien. Er verweist auf ein anderes Problem: Das Geld auf dem Sparbuch liegen zu lassen, war und bleibt ein Minusgeschäft – daran wird sich nichts ändern.