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Samstag, 25. April 2020

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Bereits vor der Corona-Krise haben Crashpropheten Konjunktur. Besonders Marc Friedrich und Matthias Weik sagen seit vielen Jahren das Ende des Euros und teilweise auch des ganzen Wirtschaftssystems voraus.

Sparschwemme statt Geldschwämme?

Marcel Fratzscher analysiert in seinem Gastbeitrag für den SPIEGEL, was an den Argumenten der Crash-Propheten dran ist. Ohne Frage ist die Überschuldung von Regierungen und Unternehmen tatsächlich ein großes Problem, was auch den Bankensektor verwundbar macht.
Statt einer Geldschwemme sieht Fratzscher aber „die viel zu hohen Ersparnissen von Bevölkerung und Unternehmen“ – auch die Deutschen sparen wie die Weltmeister. Hier treffen sich Überschul-dung und Geldschwemme: Die hohen Schuldenberge der einen können überhaupt erst dadurch zustande kommen, dass andernorts zu viel gespart wird.

Sind Schulden das Problem oder die Lösung der Krise?

Im SPIEGEL haben sich hat Marc Friedrich gleich zweimal zu einem Streitgespräch mit Peter Bofinger getroffen. Beim zweiten Gespräch fühlte sich Friedrich durch die Pandemie bestätigt. Immerhin waren sich die beiden einig, dass sich die jetzige Krise deutlich von der Finanzkrise unterscheidet, da praktisch die ganze Wirtschaft betroffen ist, inkl. vieler Firmen, die gut funktioniert haben und keine Finanzierungsprobleme hatten.
Das war es dann auch – während Bofinger die Aufnahme neuer Schulden die einzige Möglichkeit ist, um aus dem Schlamassel herauszukommen, sind sie für Friedrich die Ursache aller Probleme.

Fragwürdige Finanztipps der Crashpropheten

Schwer zu sagen, wer nun Recht hat. Mir fehlt das Selbstbewusstsein der beiden Herren, die wenig Verständnis für die andere Seite aufbringt. Was ich aber sagen kann, dass ich die Tipps der Crashpropheten für sehr fragwürdig halte. Dies gilt sowohl für die Finanztipps, z.B. den Vorschlag Bitcoins zu kaufen und wird durch die mäßige Performance der Fonds bestätigt, wie der Tagesspiel berichtete Wenn Crashpropheten selbst zu Bruchpiloten werden.

Absurde politische Forderungen 

Völlig absurd wird es bei den politischen Forderungen. Friedrich fordert die Abschaffung der „EU, EZB, all das, was zentralistisch und planwirtschaftlich fern der Menschen ist.“ Nach dem Brexit-Debakel haben viele rechte europäische Parteien die Forderung nach einem Austritt gestrichen – und Friedrich fordert genau das! Zurecht bezweifelt Bofinger, dass sich europäische Staaten international behaupten können. Gewagt finde ich auch, in dieser Zeit, in der wirklich alle nach dem Staat rufen, auf die Heilkräfte des Markts zu hoffen. Der wichtigste Grund bleibt aber politisch: Die Europäische Integration und die Zusammenarbeit hat uns mehr als 70 Jahre Friede gebracht – das dürfen wir nicht gefährden.

Dienstag, 10. März 2020

Die guten Seiten der Globalisierung

Durch die Corona-Krise ist auch die Globalisierung wieder ins Gerede kommen. Mit den vielen Kritikpunkten, die es schon vorher gab, werde ich mich in einem weiteren Eintrag auseinandersetzen – heute geht es um die guten Seiten.

Internationaler Handel kann gut sein

Internationaler Handel ist wichtig – gerade für ein exportorientiertes Land wie Deutschland. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen kann man die sogenannten nicht-wirtschaftlichen Vorteile nicht hoch genug einschätzen, salopp übersetzt: Wer Handel miteinander triebt, schlägt sich nicht die Köpfe ein
Es ist kein Zufall, dass die Annäherung der Europäer/innen nach dem zweiten Weltkrieg über den Handel lief. Auch bei der Bestrafung oder Belohnung von Ländern kommen zuerst wirtschaftliche Maßnahmen ins Spiel: durch Sanktionen oder die Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen als "Belohnung". 

Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen

Niklas Piper zeigt in der Süddeutschen Zeitung, dass sich die Globalisierung auch nicht so einfach zurückdrehen lässt.

Er verweist darauf, dass internationale Arbeitsteilung wichtig ist, gerade bei der Bekämpfung der aktuellen Pandemie. Auch in anderen Bereichen kann man die Produktion nicht einfach zurückholen, gerade für deutsche Unternehmen ist das auch nicht sinnvoll: "Viele Produkte deutscher Maschinenbauer sind so spezialisiert, dass es für sie nur einen Weltmarkt oder aber gar keinen Markt gibt."

Eine andere Form der Globalisierung

Viele Autoren fordern eine andere Art der Globalisierung. Gut gefällt mir die Idee von Bernd Ulrich: Weniger Austausch von Waren, aber ideelle Globalisierung, also Austausch von Wissen und Werten. Ähnlich argumentiert der Philosoph Slavoj Žižek: Europa muss vereint sein! Nicht einfach durch offene Grenzen, sondern in wirtschaftlichen Fragen einig, in der Landwirtschaft und so weiter. Wir müssen unsere Aktivitäten mehr denn je koordinieren!"

Hier sehen Sie den Beitrag aus der ARD-Sendung Titel – Thesen -Temperamente, bei dem neben den beiden genannten Autoren noch weitere Aspekte aufgezeigt werden. Den Bericht finden Sie auf der Homepage von Titel, Thesen, Temperamente

Freitag, 25. Oktober 2019

Die Bilanz von Mario Draghi - Retter des Euros oder Enteigner der Sparer?

Diesem Mann steht fast niemand neutral gegenüber. Für die einen ist er der Retter des Euros und der Euro-Länder, für die anderen die Ausgeburt des Bösen, der die Zinsen abgeschafft und damit die deutschen Sparer*innen enteignet hat. Wie so oft liegt die Wahrheit wohl dazwischen.

In dieser Presseschau möchte ich drei verschiedene Analysen näher betrachten, beginnend mit der euphorischsten.

Guter Italiener, ökonomisch überforderter Deutscher

Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes schrieb Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE eine euphorische Würdigung über Mario Draghi.
Er bezweifelt die Schuld Draghis an den Nullzinsen und verweist zurecht darauf, dass diese weltweit niedrig sind. Die Schweiz, die von vielen Euro-Gegner ja immer so euphorisch als Vorbild gefeiert wird, liegt der Zinssatz sogar noch niedriger.
Er gibt Wolfgang Schäuble die Schuld an der Krise und sieht in Draghi den Retter:
Wenn überhaupt, dann haben wir Mario Draghi, dem Italiener, zu verdanken, dass wir heute noch so eine stabile Währung haben. Weil er das korrigiert hat, was ein deutscher Finanzminister falsch gemacht hat: der nämlich in der akut eskalierenden Krise nicht richtig mit dem Geld umging, als er den Griechen zu Beginn der Krise, ziemlich genau vor zehn Jahren, jede Hilfe erst einmal stur versagte – was die Zweifel am Willen zur Krisenbewältigung erst nährte und die Panik an den Finanzmärkten erst eskalieren ließ.   

Euro-Retter mit wirtschaftlichen und politischen Risiken 

Positive und negative Seiten sieht Henrik Müller in seiner Kolumne Alles super, Mario?

Retter des Euros - und von Merkels Kanzlerschaft 

Müller würdigt die Rolle Draghis und verweis auf den Beginn zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2011 mit dem drohenden Ende des Euros und einem globalen Finanzcrash. Durch seine legendäre Pressekonferenz den Euroraum mit allen Mitteln zusammenzuhalten im Sommer 2012 hat er der Spekulation ein Ende bereitet.

Es ist keine abwegige Annahme, dass ohne die hyperaktive EZB die Währungsunion entweder explodiert wäre - oder nur durch umfangreiche Transferzahlungen hätte gerettet werden können. In beiden Fällen wäre Angela Merkels Kanzlerschaft vermutlich längst beendet und Deutschlands politische Landschaft stärker fragmentiert, wie das in anderen Ländern längst der Fall ist. Dass Merkel immer noch in einer halbwegs stabilen Koalition regiert, verdankt sie nicht zuletzt dem EZB-Chef.

Draghi hinterlässt wirtschaftliche und politische Problembereiche

Müller verweist aber auch auf Probleme: Die billionenschwere Käufe sind nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen: negative Zinsen bei immer höherer Verschuldung von Staaten und Unternehmen, die bei der nächsten Rezession als Krisenverstärker herausstellen. Besonders seine letzte Entscheidung, Anleihekaufprogramme zu starten sorgte für politische Risse, die seine Nachfolgerin Lagarde nun kitten muss. 

Hat sich Draghi verrannt? 

Alexander Hagelüken argumentiert in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung ähnlich: 
Europas Zentralbankchef hat sich enorme Verdienste um den Euro erworben, doch er hat zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Seine Nachfolgerin muss dringend umsteuern.

(Nicht nur) nach Ansicht von Hagelüken hat Draghi zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Die Nullzinsen verzerren das Geschäftsleben und beschwören auf Dauer Spekulationsblase wie vor der Finanzkrise. 

Große Herausforderungen für Christine Lagarde 

In einem Punkt sind sich wohl alle einig: Christine Lagarde hat es angesichts der weltweiten Verwerfungen keinen leichten Job - man kann ihr nur Glück wünschen!

Dienstag, 2. April 2019

Abschied von der Globalisierung?

In den Samstag-Ausgaben der Süddeutschen Zeitung sind zwei interessante Essays erschienen, die sich mit der Vergangenheit und der Zukunft des Welthandels und der Globalisierung beschäftigen.

Erst kommen Zölle, dann folgt der Krieg

Der Titel des Essays von Nikolaus Piper ist etwas provokativ, die Bedeutung von Frieden beim internationalen Handel kann aber sicher nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Seine Thesen: Wohlstand ohne Welthandel ist nicht möglich. Sein Verdacht: Nicht nur Trump hat das nicht verstanden. Er hofft, dass Globalisierungsgegner von rechts und links aus der Geschichte lernen
In der Vergangenheit haben Konflikte beim Handel zu Kriegen geführt, wie z.B. die Boston Tea Party. Handel zwischen Länder wiederrum hat nicht zu Wohlstand, sondern auch zu Frieden geführt.

Die Globalisierung macht auch Angst

Die Globalisierung im 19. Jahrhundert schaffte zwar Wohlstand, sie machte aber auch Angst, und sie half den Armen nicht. So entstand einerseits eine linke Arbeiterbewegung, andererseits eine militante, nationalistische, antiliberale und meist auch antisemitische Rechte, die den Schutz der heimischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz verlangte.

Internationale Zusammenarbeit nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem Krieg entstanden Regeln für den internationalen Warenaustausch. Es entstanden der Internationale Währungsfonds IWF zur Versicherung gegen Zahlungsbilanzkrisen und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT, aus dem später die Welthandelsorganisation hervorging.

Entwicklung kippt nach dem Kalten Krieg

Der Autor sieht in Chinas Verhalten ein Grund für die gegenwärtige Krise
Am 11. Dezember 2001 wurde China Mitglied der WTO und genießt alle Vorzüge dieser Mitgliedschaft. Es hält in der WTO aber bis heute den Status eines Entwicklungslandes und praktiziert mit dieser Begründung einen protektionistischen Schutz der eigenen Industrie, der für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde längst nicht mehr akzeptabel ist. 
Die Vorwürfe von Trump sind also ein Stück weit berechtigt, so der Autor: Auch deshalb hatte die WTO auch schon vor Trump viel von ihrer Autorität eingebüßt.

Wiederholt sich die Geschichte?

Wie im 19. Jahrhundert hat der grenzenlose Handel eine militante Antiglobalisierungsbewegung hervorgerufen. Zunächst kam der Protest nur von links. Die "Schlacht von Seattle" 1999 wird auch heute noch in der Szene als Erfolg gefeiert. Inzwischen haben sich auch die Rechtspopulisten des Themas angenommen. Das "alte Modell der Globalisierung" habe ausgedient, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán dem chinesischen Fernsehen. Und Trump ist dabei, die WTO vollends zu demontieren.

Abschied von der Welt-Wirtschaft

Ganz ähnlich argumentiert Jan Willmroth in seinem Essay Abschied von der Welt-Wirtschaft. Er sieht Anzeichen für eine De-Globalisierung und befürchtet einen katastrophalen Umbruch. Es geht nicht nur um Handel, sondern um die Zukunft internationaler Kooperation.

Die Ära der Globalisierung neigt sich dem Ende zu

Trotz aller Kritik hat die Globalisierung den Wohlstand in einem bisher nie gekannten Maße gemehrt. Nun droht ganzen Weltregionen eine Abwärtsspirale.
Die Gefahr, dass die Globalisierung in ihrer bisherigen Form nun enden könnte, ist eng verknüpft mit der Präsidentschaft von Donald Trump, in dessen Abschottungspolitik die stumpfe Gewalt eines Baseballschlägers auf die jahrzehntelang gewachsene Komplexität globaler Warenströme trifft.

Wie Piper sieht Willmroth den Beginn der Krise bereits im Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation: China nutzte eine billige Währung, erschwerte Ausländern den Marktzutritt und sperrte selektiv Importe aus. Diese doppelbödige Strategie wurde vielen Politikern zum Vorbild.
Den schwersten Schlag versetzte der Globalisierung aber ausgerechnet die globalisierten Finanzmärkte ab 2007. Hinzu kommt, dass sich für viele Menschen, z.B. die unteren Mittelschichten in den Industrieländern, das Wohlstandsversprechen der globalen Vernetzung nicht eingelöst hat.

Eine Handelsordnung für das neue Jahrtausend

Mit dem Autor ist zu hoffen, dass Trump und seine Mitstreiter die Welthandelsorganisation nicht beerdigen werden:
Vielleicht geschieht noch ein Wunder und es gelingt tatsächlich eine Reform, die eine Handelsordnung für ein neues Jahrhundert des Fortschritts begründet... Handelsschranken können Waffen sein, und wer diese einsetzt, wird sich auch anderer Methoden bedienen, sobald es ernst wird.

Freitag, 8. Februar 2019

10 Jahre Finanzkrise - bis zum nächsten Mal?

Zum zehnten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers und dem Beginn der Finanzkrise gab zahlreiche interessante Artikel und Kommentare.

Für die nächste Krise ist nicht vorgesorgt

Dies ist der zentrale Satz des Kommentars „Die Politik muss bei der Bankenrettung ehrlich sein“ von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung

Er kritisiert den Begriff Bankenrettung: Gerettet wurde jener Umverteilungsmechanismus aus Einlagenverwaltung und Kreditvergabe, der den Kern des Bankgeschäfts ausmacht und ohne den keine große Volkswirtschaft der Welt funktionieren kann. Gerettet wurden jedoch auch und vor allem die Kunden, deren Sparguthaben sich ganz oder teilweise in Luft aufgelöst hätten, hätte der Staat ein Institut nach dem anderen in die Pleite geschickt.

Hulverscheidts Kritik: Die Politik hat nicht genug getan: Zwar sind die großen Geldhäuser der Welt heute mit viel mehr Kapital ausgestattet als 2008, allerdings um den Preis, dass Teile ihres Geschäfts - und zwar die gefährlicheren - in die unregulierte Welt der Schattenbanken abwanderten. Man kann fast darauf wetten, dass die nächste Krise hier ihren Ursprung haben wird. Auch fehlen bis heute eine Finanztransaktionssteuer, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und eine effiziente Begrenzung von Managergehältern. Vor allem aber mangelt es weiter an Offenheit: Warum etwa gibt es immer noch keine einfache Webseite, auf der die Krisenkosten aufgeschlüsselt und begründet werden?

Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise

Hulverscheidt beklagt auch, dass Zahlen erst auf eine Anfrage eines Abgeordneten publik wurden. Und die haben es in sich: Die Finanzkrise wird die deutschen Steuerzahler wohl mehr als 68 Milliarden Euro kosten – jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise.
Cerstin Gammelin kritisiert in ihrem Artikel darüber hinaus, dass die Folgen der Krise auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt sind. Bund, Länder und Kommunen sind weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen.

Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem Nichts losbrechen

Düster auch die Analyse von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung: Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem nichts losbrechen.

Schäfer wendet sich gegen die Kritik an der EZB und deren Chef Mario Draghi, der von vielen verantwortlich gemacht wird., sondern benennt als die wirkliche Schuldige: gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern. Seiner Meinung nach wird hier der Gärtner zum Bock gemacht, denn die EZB hat mit ihrer Geldpolitik ja verhindert, dass die Staatsschuldenkrise in Europa ins Fiasko führte.

Mittellosen US-Bürgern wurden Ramschkredite aufgedrängt

Er sieht die Ursache vor allem in privaten Banken und Kredithaien, die mittellosen US-Bürgern ihre Ramschkredite aufdrängten. Investmentbanker schnürten die Kredite anschließend zu hochriskanten Wertpapieren und verschoben sie, versehen mit viel zu hohen Noten privater Ratingagenturen, rund um den Globus - ein Hütchenspiel, das ins Verderben führte. Auch den Vorwurf an die Aufsichtsbehörden lässt er nicht gelten, schließlich hat die Finanzlobby seit den späten 1980er-Jahren darauf gedrungen, die Kapitalmärkte zu deregulieren - die Politik ließ sich von diesem marktradikalen Denken infizieren.

Schattenbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften als Verursacher

Gefahren sieht er in den bis heute mächtige Schattenbanken, die ähnlich wie Geldhäuser agieren, aber viel schwächer überwacht werden; dazu zählen Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Gesellschaften. Sie verwalten etwa 34 Billionen Dollar - das entspricht der Hälfte dessen, was die Menschheit alljährlich erwirtschaftet. Zudem gibt es nach wie vor Abertausende Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe die Finanzindustrie ihre Geschäfte abwickelt, sie sitzen in Steueroasen in der Karibik ebenso wie in Europa. Diese sogenannten Zweckgesellschaften haben meist nur einen Zweck: Sie sollen das Kapital strengerer staatlicher Kontrolle entziehen.

Die globale Ökonomie bleibt labil und krisenanfällig

Solange die Weltgemeinschaft es weiterhin zulässt, dass die Finanzindustrie ihre Geschäfte in solch trübe Gewässer leitet, besteht die Gefahr, dass scheinbar aus dem Nichts die nächste Finanzkrise losbricht. … Die globale Ökonomie ist und bleibt, trotz aller Maßnahmen, die Politiker ergriffen haben, labil und krisenanfällig.

Die Amateure

Der SPIEGEL-Artikel Die Amateure Ist leider für Abonnenten aufrufbar. Die Autoren kritisieren, dass bis heute nicht vollständig aufgearbeitet ist, welche Fehler die deutsche Politik gemacht hat– und damit die Saat für die nächste Krise gelegt hat.

„Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Nutzen. Aber mit horrenden Renditen“ so der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann. Das hielt die Deutsche Bank aber nicht davon ab, fleißig bei der Wetterei mitzuspielen. Die Autoren kritisieren, dass die Europäer nur halbherzig reagiert haben und anders als die USA mit Zwangskapitalisierung entschieden gehandelt haben.

Die nächste Finanzkrise wäre noch viel schlimmer

Ähnlich argumentiert William White, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zwar sei Dank der staatlichen Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger - oder vom Markt verschwinden würden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen werden zu können wie einst Lehman. "Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen", sagte White. "Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenländern und China."

Geld drucken als bisherige Rettungsstrategie nicht mehr möglich

Die bisherige Antwort auf die Krisen war Geld drucken: Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Seine Forderung: Entscheidend sei, so White weiter, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben - also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhten

Dann bis zum nächsten Mal

Auch Uwe Jean Heuser sieht in der ZEIT die Gefahr für den nächsten Crash. Er argumentiert, dass Finanzkrisen ein „exzessives Kreditwachstum“ vorausgeht – zu viel Geld wird verliehen. Das ist der Fall – sowohl Unternehmen, Staatshaushalte, der Finanzsektor und Privathaushalte haben in den letzten Jahren gigantische Schuldenberge aufgebaut. Die gigantischen Geldmengen haben einen Boom bei Aktionskursen und Immobilienpreisen ausgelöst, aber so der Autor „Irgendwo wartet der nächste Crash“.
Sehr lesenswert auch das Interview mit Gerhard Schick. Der grüne Bundestagsabgeordnete verlässt den Bundestag, um sich auf seine Arbeit bei der Bürgerbewegung Finanzwende zu konzentrieren.
Die Bewegung setzt sich u.a. für eine Schuldenbremse für Banken und eine unabhängige Finanzberatung ein.

Lehmans Lehren

Rudolf Hickel ist ein streitbarer Ökonom, der oft gegen den Mainstream argumentiert hat.
In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung würdigt er einige Maßnahmen von vor 10 Jahren – unter anderem die denkwürdige Versicherung von Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Steinbrück, dass die Einlagen der Sparer sicher sind. 
Andere Maßnahmen kritisiert er aber als nicht stimmig und schiebt die Schuld der einflussreichen Lobbyarbeit zu. Es ist das weltweit überschüssige Geldkapital, das immer wieder zu Spekulationsblasen führt. Die Treiber sind die Vermögenden und Einkommensstarken, die ihre illusorischen Renditeerwartungen auf völlig überschätzte Finanzmärkte konzentrieren.
Seine Forderung: Dabei würde es helfen, dem Übersparen entgegenzuwirken, indem Vermögen und Einkommen gerechter verteilt werden. Erwirtschaftetes Einkommen muss in die Realwirtschaft investiert werden. Dazu gehören auch Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur, die einer nachhaltigen Wirtschaft nützen.