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Samstag, 22. Juli 2023

Warum Menschen unterschätzen, wie reich sie sind

Nils Wischmeyer analysiert in der Süddeutschen Zeitung, warum Menschen unterschätzen, wie reich sie sind. Das führt zu falschen politischen Entscheidungen und nur einen Ausweg: Gehaltszettel auf den Tisch.

Viele schätzen ihr Vermögen und Einkommen falsch ein

Viele Menschen zählen sich zur Mittelschicht, obwohl sie deutlich mehr verdienen oder besitzen. Drastisches Beispiel war Friedrich Merz, der sich 2020 mit einem Einkommen von rund einer Million Euro zur gehobenen Mittelschicht zählte. Angesichts vieler unterschiedlicher Definitionen von Mittelschicht ist die Selbsteinschätzung nicht so einfach. Ein weiterer Grund für die Fehleinschätzung: Menschen vergleichen sich mit Menschen aus ihrem Umfeld. Viele Menschen kommen mit anderen Schichten kaum in Kontakt mit Menschen anderer Schichten.

Fehleinschätzungen führen zu dummen Entscheidungen

Die Ungleichheit nimmt zu, die oberen fünf Prozent besitzen mehr als 40 Prozent des Vermögens. Die Menschen nehmen diese Ungleichheit war, glauben aber nicht, davon betroffen zu sein. In der Folge unterschätzten sie vermutlich auch, wie stark sie von Maßnahmen wie beispielsweise von einer Umverteilung für das eigene Leben profitiert hätten. Dies führt zu seltsamen Diskussionen. Obwohl nur wenige Familien von der Senkung der Einkommensgrenze beim Elterngeld betroffen sind, unterschrieben in kurzer Zeit 500.000 eine Petition, diese Kürzung zu stoppen.
Solche Fehleinschätzungen führen zu schlechter Politik – statt Förderung der Mittelschicht werden Reiche bezuschusst. Dies zeigt sich bei der geplanten Förderung zur Energiewende: Nur 40 % der Deutschen leben in den eigenen Wänden, sie werden aber bei Wärmepumpe, Ladestation und Solaranlagen massiv unterstützt.

Menschen müssen offener über Geld sprechen

Für den Autor hilft nur ein: Deutschland muss offener über das Thema Geld sprechen. Was ist ein hohes Einkommen, was ein großes Vermögen? Und ab wann ist man eigentlich reich? Die Bundesregierung definiert hohe Einkommen als das Doppelte des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen, also der Haushaltseinkommen, gewichtet nach Haushaltsgröße und Alter der Mitglieder. Wer alleinstehend 99 Prozent der Menschen hinter sich lassen will, braucht 7000 Euro netto, also etwa halb so viel wie Olaf Scholz.
Die Zahlen sind wichtig für zukünftige Diskussionen: Wenn dann einmal wieder eine Vermögenssteuer diskutiert wird, wüsste man auch: Oje, da geht es ja um mich! Ich bin reich!