In dieser Presseschau möchte ich drei verschiedene Analysen näher betrachten, beginnend mit der euphorischsten.
Guter Italiener, ökonomisch überforderter Deutscher
Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes schrieb Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE eine euphorische Würdigung über Mario Draghi.Er bezweifelt die Schuld Draghis an den Nullzinsen und verweist zurecht darauf, dass diese weltweit niedrig sind. Die Schweiz, die von vielen Euro-Gegner ja immer so euphorisch als Vorbild gefeiert wird, liegt der Zinssatz sogar noch niedriger.
Er gibt Wolfgang Schäuble die Schuld an der Krise und sieht in Draghi den Retter:
Wenn überhaupt, dann haben wir Mario Draghi, dem Italiener, zu verdanken, dass wir heute noch so eine stabile Währung haben. Weil er das korrigiert hat, was ein deutscher Finanzminister falsch gemacht hat: der nämlich in der akut eskalierenden Krise nicht richtig mit dem Geld umging, als er den Griechen zu Beginn der Krise, ziemlich genau vor zehn Jahren, jede Hilfe erst einmal stur versagte – was die Zweifel am Willen zur Krisenbewältigung erst nährte und die Panik an den Finanzmärkten erst eskalieren ließ.
Euro-Retter mit wirtschaftlichen und politischen Risiken
Positive und negative Seiten sieht Henrik Müller in seiner Kolumne Alles super, Mario?Retter des Euros - und von Merkels Kanzlerschaft
Müller würdigt die Rolle Draghis und verweis auf den Beginn zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2011 mit dem drohenden Ende des Euros und einem globalen Finanzcrash. Durch seine legendäre Pressekonferenz den Euroraum mit allen Mitteln zusammenzuhalten im Sommer 2012 hat er der Spekulation ein Ende bereitet.
Es ist keine
abwegige Annahme, dass ohne die hyperaktive EZB die Währungsunion entweder
explodiert wäre - oder nur durch umfangreiche Transferzahlungen hätte gerettet
werden können. In beiden Fällen wäre Angela Merkels Kanzlerschaft vermutlich
längst beendet und Deutschlands politische Landschaft stärker fragmentiert, wie
das in anderen Ländern längst der Fall ist. Dass Merkel immer noch in einer
halbwegs stabilen Koalition regiert, verdankt sie nicht zuletzt dem EZB-Chef.
Draghi hinterlässt wirtschaftliche und politische Problembereiche
Müller
verweist aber auch auf Probleme: Die billionenschwere Käufe sind nicht
ohne Risiken und Nebenwirkungen: negative Zinsen bei immer höherer
Verschuldung von Staaten und Unternehmen, die bei der nächsten Rezession
als Krisenverstärker herausstellen. Besonders seine letzte
Entscheidung, Anleihekaufprogramme zu starten sorgte für politische
Risse, die seine Nachfolgerin Lagarde nun kitten muss.
Hat sich Draghi verrannt?
Alexander Hagelüken argumentiert in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung ähnlich:
Europas
Zentralbankchef hat sich enorme Verdienste um den Euro erworben, doch
er hat zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Seine
Nachfolgerin muss dringend umsteuern.
(Nicht nur) nach Ansicht von Hagelüken
hat Draghi zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten.
Die Nullzinsen verzerren das Geschäftsleben und beschwören auf Dauer
Spekulationsblase wie vor der Finanzkrise.
Große Herausforderungen für Christine Lagarde
In
einem Punkt sind sich wohl alle einig: Christine Lagarde hat es
angesichts der weltweiten Verwerfungen keinen leichten Job - man kann
ihr nur Glück wünschen!