Über diesen Blog

Posts mit dem Label Arbeitsmarkt werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Arbeitsmarkt werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 10. Juni 2025

Merz' Sicht auf die Arbeitswelt ist verstaubt

Elisabeth Dosert kommentiert in der Süddeutschen Zeitung die Forderungen von Friedrich Merz, dass die Menschen in Deutschland mehr arbeiten soll, da Care Arbeit nicht berücksichtigt wird. 
 

Fragwürdiger Umgang mit Statistiken 

Merz begründet seine Forderung nach Arbeit mit dem Vergleich mit anderen Ländern. Dabei arbeiten in Deutschland mit 46 Millionen Menschen mehr denn je. Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit, wodurch die Durchschnittsarbeitszeit sinkt. Vor allem Frauen arbeiten Teilzeit, würden sie alle aufhören, würde die Durchschnittsarbeitszeit steigen. 

Arbeit ist nicht nur Erwerbstätigkeit 

Mit seinem Vorwurf der Faulheit brüskiert auch die vielen Menschen, die Sorgearbeit leisten – und damit überwiegend Frauen. Das Volumen an Care-Arbeit, d.h. sich um Haushalt und die Familie kümmern liegt nach Studien mit 120 Milliarden Stunden rund doppelt so hoch wie die geleistete Erwerbsarbeit. Hinzu kommen Menschen, die ehrenamtlich in Vereinen und für andere Menschen einsetzen. Ohne diese Arbeit wäre der Wohlstand, der in Deutschland geschaffen wurde und immer noch geschaffen wird, gar nicht möglich. 

Weniger Beschimpfungen und mehr Wertschätzung für alle Arbeitenden 

Ohne die vielen Menschen, die sich unentgeltlich für die Gesellschaft einsetzen wären all die schönen Sondervermögen kraftlos. Weniger Beschimpfungen und mehr Wertschätzung für alle Arbeitenden, ob bezahlt oder unbezahlt, stünden Friedrich Merz gut an.

Seminar in meiner Themenliste 

Zu diesem Thema biete ich in meiner überarbeiteten Themenliste ein Seminar an. 


Donnerstag, 15. August 2024

Arbeitsmoral: Sind wir zu faul?

Carla Neuhaus behandelt in der ZEIT den immer wieder wiederholten Vorwurf, die Deutschen würden zu wenig arbeiten.

Menschen wollen weniger arbeiten

In einem Punkt sind sich Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) ausnahmsweise einig. Beide sagen: Die Menschen arbeiten zu wenig. Sie wollen Anreize, dass Menschen mehr arbeiten. Die Menschen wollten das Gegenteil – rund die Hälfte der Menschen würde gerne weniger arbeiten.

Fragwürdige Statistiken

Auf den ersten Blick geben Statistiken der OECD recht. In Deutschland kommt ein Erwerbstätiger auf 1340 Stunden im Jahr – in den USA 1811. Die OECD warnt selber vor Vergleichen, denn in die Berechnung fließen alle Beschäftigten ein, egal ob Voll- oder Teilzeit.
Arbeitet ein Mann 38,5 Stunden pro Woche und die Frau gar nicht, liegt die Jahresarbeitszeit bei 1732,5 Stunden. Geht der Mann auf 40 Stunden hoch und die Frau arbeitet 20 Stunden, sinkt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit auf 1350 Stunden – obwohl beide mehr arbeiten als vorher.
Der sarkastische Rat von Ökonomen: "Will Deutschland den Anschluss an die OECD schaffen, muss einfach nur jeder Teilzeitbeschäftigte ab morgen zu Hause bleiben."

Produktivität nimmt nicht mehr zu

Zählt man alle geleisteten zusammen, kommt mit 55 Milliarden Stunden ein Höchstwert seit der Wiedervereinigung heraus. Zählt man Selbständige hinzu ergeben sich sogar 62 Milliarden. Ohnehin sind die Zahlen nicht entscheidend, denn es kommt auf die Produktivität an. Diese nimmt aber tatsächlich kaum mehr zu. Ein Grund: Die Beschäftigung wächst vor allem in personalintensiven Bereichen – und eine Kraft kann nicht einfach noch mehr Kinder oder Senioren betreuen. Ein weiteres Problem ist, dass auf Dauer immer mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt fehlen.

Weniger arbeiten individuell sinnvoll, gesamtwirtschaftlich schlecht

Die aktuell diskutierte Viertagewoche ist für einzelne Personen nachvollziehbar, für die Wirtschaft schwierig. Der Mangel in einzelnen Berufen, z.B. bei Erzieherinnen, könnte sich sogar noch verschlimmern. Experten sehen deshalb vor allem bei Mangelberufen ein Problem.

Wie kann man Menschen zu mehr Arbeit bringen?

Tatsächlich arbeiten Menschen immer weniger

  • 1.340 Stunden haben die Deutschen 2023 im Schnitt gearbeitet. Einzig im Coronajahr 2020 war es noch weniger.
  • 31,6 Überstunden haben Arbeitnehmer im Jahr 2023 im Schnitt gemacht – deutlich weniger als früher.
  • 20 Tage waren Arbeitnehmer im letzten Jahr im Durchschnitt krankgeschrieben – ein Rekord.
  • 67 Prozent der Mütter arbeiten in Teilzeit, bei den Vätern sind es neun Prozent.

Finanzminister Lindern will Mehrarbeit steuerfrei stellen. Forscher sehen darin Fehlanreize, da Beschäftigte dann ihre vertragliche Arbeitszeit reduzieren und mehr steuerfreie Überstunden leisten könnten. Eine Beschränkung auf 40 Stunden ist gegenüber Teilzeitkräften nicht fair und juristisch kaum haltbar. Sinnvoller ist die Idee von Wirtschaftsminister Habeck, der Rentner zur Arbeit animieren will.
Der Sachverständigenrat der Bundesrepublik setzt bei Frauen in Teilzeit und fordert bessere Kinderbetreuung. Außerdem fordert sie eine Reform des Ehegattensplittings und eine Verschiebung des Renteneintrittsalter.

Keine Reform in Sicht

Es gäbe also Wege, dafür zu sorgen, dass wieder mehr gearbeitet wird in Deutschland. Nur sind sie nicht sehr populär. Die Regierung ist sich uneins und wird sich kaum zu einer großen Reform durchringen. Während die Deutschen insgesamt also weniger arbeiten, tut es die Regierung in dieser Sache vermutlich gar nicht.