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Montag, 23. Dezember 2024

Antworten auf die gängigen Auto- und Energie-Mythen

In einem Kommentar im SPIEGEL beschäftigt sich Christian Stöcker mit fünf gängige Auto- und Energie-Mythen. Er bezeichnet seine Kolumne als „ein schnell einsetzbarer Leitfaden gegen Desinformation über erneuerbare Energien, E-Autos und angrenzende Gebiete. 

Mythos 1: »E-Autos sind auch nicht besser fürs Klima«

Gegen dieses Narrativ gibt es viele Studien, u.a. der Universität der Bundeswehr München, dem Fraunhofer-Institut oder dem Verein Deutscher Ingenieure. E-Autos halten länger als Verbrenner und setzen weniger CO2 aus. In China sinkt der Verbrauch von Benzin und Diesel bereits – weil Elektroautos sich so schnell verbreiten. Diese Entwicklung ist schlecht für die Öl- und Gasbranche und die Petrostaaten. Akteure also, die für jahrzehntelange Desinformation bekannt sind.

Mythos 2: »E-Autos brennen dauernd!«

Es gibt eine Brandgefahr bei Elektroautos: Sie brennen lang und heftig – aber das passiert viel seltener als bei Verbrennen wie Studien zeigen. An den Desinformationskampagnen ist auch die AfD beteiligt, die wiederrum von Russland übernehmen. Unglücklicherweise machen auch manche deutsche Politiker und deutsche Medien sich zum Handlanger solcher Strategien. Die ADAC-Unfallforschung hat auch ergeben, dass verunfallte E-Autos sicher geborgen werden können.

Mythos 3: »Deutschland droht ein Blackout«

Dieses Narrativ entbehrt jeder Grundlage. Deutschland hat auch ohne Sonnen- und Windenergie eine Kraftwerkskapazität von 100 Gigawatt Leistung. Der hohe Strompreis Mitte Dezember ist auch darauf zurückzuführen, dass konventionelle Kraftwerke nicht angefahren sind. Derzeit prüft die Bundesnetzagentur den Vorgang.
Fest steht: Die Gefahr eines »Blackouts« wegen mangelnder Erzeugungskapazität in Deutschland existiert nicht: Wir haben gewaltige Überkapazitäten. Außerdem ist der europäische Strommarkt kein Makel, sondern ein Gewinn. Notwendig sind wasserstofffähige Gaskraftwerke für die maximal wenigen Wochen im Jahr, in denen wirklich weder die Sonne scheint noch der Wind weht.

Mythos 4: »Erneuerbare Energien sind ein deutscher Alleingang«/»Es gibt eine weltweite Renaissance der Atomkraft«

Auch diese Zahlen sind falsch: weltweit steigt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung – zunehmend auch im privaten Bereich. Notwendig ist der massive Ausbau von Großspeichern. Demgegenüber stagnieren die Zahlen bei der Atomkraft. Der Anteil des Atomstroms am Strommix des Planeten sinkt. Atomstrom war nie wettbewerbsfähig und wird es auch niemals sein. Er ist immer ein Subventionsgrab.
Entgegen wiederholter Behauptung investiert auch Google nicht in Atomkraftwerke, sie beabsichtigen lediglich Atomstrom zu kaufen. Ob und wann der Reaktor „Three Mile Island“ oder die neuen angepriesenen Reaktortypen bezahlbaren Strom liefern, ist aber ungewiss.

Mythos 5: »Die Strompreise für die Industrie sind hoch wie nie zuvor«

Zur Zeit liegen die Strompreise unter dem des letzten Jahres und unter denen des Jahres 2017. Damals lag das Wirtschaftswachstum in Deutschland bei 2,2 Prozent. Die Behauptung, »die hohen Energiepreise« seien maßgeblich verantwortlich für die desolate Situation der deutschen Wirtschaft, ist also offenkundig falsch.
Andere Staaten subventionieren die Strompreise massiv. Das Problem sind also nicht die hohen Erzeugungskosten, sondern der verzerrte internationale Wettbewerb. Perspektivisch wird der Strom in Deutschland durch erneuerbare Energien billiger, denn sie sind konkurrenzlos günstig.

Desinformationen nutzen einigen Branchen und Staaten

Zu Energieversorgung und Mobilität ist viel Desinformation im Umlauf. Nutznießer sind Branchen und Staaten, die weiter mit dem Verbrennen von Öl und Gas Geld verdienen wollen – und die Nuklearbranche, die ihr darbendes Geschäftsmodell gern mit Steuergeldern am Leben erhalten möchte.

Mittwoch, 4. Dezember 2024

Zwei Jahre ChatGPT - Weiß alles, halluziniert bloß manchmal

Nicolas Kilian schreibt in der ZEIT  über künstliche Intelligenz, die die Wirtschaft revolutionieren könnte. Ein Blick auf verschiedene Branchen zeigt, dass es aber noch einige Hindernisse gibt. 

Hohe Erwartungen und viel Geld

Amerikanische Tech-Bosse preisen die generative künstliche Intelligenz: Vergleichbar mit dem Internet oder gar Feuer und Elektrizität, die "Wohlstand und Reichtum bringen, wie sie die Welt noch nie gesehen hat". Entsprechend viel Geld wird investiert - allein in diesem Jahr investieren Meta, Microsoft, Alphabet und Amazon weit über 200 Milliarden Dollar, einen großen Teil davon in die Fortentwicklung von KI. Inzwischen werden Zweifel laut. Investoren haben Bedenken, ob die hohe Kosten gerechtfertigt sind und sehen die Gefahr einer Spekulationsblase.

Siemens spart Zeit

Siemens ist bereits 177 Jahre alt. KI wird eifrig getestet, lukrative Anwendungsfelder werden gesucht. Mit KI werden riesige Menschen firmeneigener Dateien besser nutzbar gemacht werden – Mitarbeiter können schneller auf Informationen zurückgreifen. Auch ein Programmier-Assistenz soll die Mitarbeiter effektiver machen.  Viele Unternehmen stehen aber noch am Anfang, besonders für kleinere Unternehmen sind die Ausgaben im Vergleich zum Ertrag enorm.

Ein Finanzdienstleister setzt auf Chatbots

Eine weitere Evolutionsstufe sind digitale Butler, die Nutzern ganze Arbeitsschritte abnehmen: Geschäftsreisen buchen, Termine vereinbaren, Bestellungen aufnehmen. Der Zahlungsdienstleister Klara bietet einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Dort beantworten Chatbots bereits zwei Drittel der Kundenanfragen. Der Bot ist Tag und Nacht im Einsatz, spricht 35 Sprachen. Menschen werden nicht gänzlich verschwinden und müssen bei komplexeren Fällen eingreifen.

Eine Anwaltskanzlei ist vorsichtig mit KI

Anwaltskanzleien sind vorsichtiger. Obwohl es auch hier leistungsfähige Sprachmodelle gibt, wird der Chatbot bei A&O Shearman nur selten genutzt. Ein Grund: Eine verlässliche juristische Einschätzung kann die KI nicht reffen – noch nicht.
Eine juristische Frage könnten Fehler werden, denn die. Sprachmodelle geben manchmal Antworten, die überzeugend klingen, aber frei erfunden sind – die KI halluziniert. Die Systeme müssen überwacht und die Antworten häufig nachbearbeitet werden – das kostet Zeit. Erst wenn die Systeme zuverlässig genug seien, könne man damit ganze Prozesse automatisieren. Dennoch wäre es ein Fehler, nur auf die heutigen Fähigkeiten der Systeme zu blicken.

Die Volkswirtschaft profitiert später

Auf ganze Volkswirtschaft übertragen braucht es Geduld – und viel Geld. Ein Experte spricht von einer Basistechnologie, vergleichbar mit der Dampfmaschine, dem PC oder dem Internet. Es muss viel investiert werden, bevor sie überhaupt einen Mehrwert. Erst in einigen Jahren werden die Auswirkungen im Wirtschaftswachstum oder der Arbeitsproduktivität von Ländern zu sehen sein.
Die Wetten sind riskant. „Darauf, dass KI bald keine Fakten mehr erfindet. Dass die wirtschaftlich bedeutsamen Anwendungen schon kommen werden. Und dass KI nicht nur einzelne Branchen verändert, sondern gänzlich neue Wirtschaftszweige entstehen lässt.“

Undenkbares kann möglich werden

Aber es ist möglich. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass Geschäftsmodelle wie Google, Amazon oder Tiktok möglich sind. Sie gehören zu den wertvollsten unternehmen der Welt und finanzieren nun KI. Ein Unterschied zur Dotcom-Blase in den 2000er Jahren, als Kleinanleger den Hype finanzierten und viele Geld verloren.

Donnerstag, 21. November 2024

Die Wirtschaftspolitik der starken Männer ist zu schwach

Lisa Nienhaus analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Wirtschaftspolitik von starken Männern, die ihre Wirtschaft gegen Feinde von außen verteidigen will – sie wird nicht funktionieren.

Starke Männer (und Frauen) sind schwach

Der starke Mann ist en vogue. Durch den Rauswurf seines Finanzminister hat Olaf Scholz seine Muskeln spielen lassen. In den Vereinigten Staaten setzt Donald Trump nicht auf Kooperation und Kompromiss, sondern Macht. Das Problem ist, dass sie die Gründe für den persönlichen Erfolg für allgemeingültig halten.

Zollpläne von Trump werden nicht funktionieren.

Donald Trump will durch Zölle den Erfolg anderer Nationen behindern und Arbeitsplätze ins Land holen. Das wird nicht funktionieren, denn die für Amerikaner werden Produkte aus dem Ausland viel teurer. Wenn Länder Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, könnte es noch teurer werden. Dadurch wird die Inflation befeuert – auch für den Rest der Welt -  lose-lose.
Der erfolgreiche Welthandel der vergangenen Jahrzehnte basierte auf dem Gegenteil: Handel zwischen Ländern erhöht den Wohlstand auf beiden Seiten.

Ideen und Wettbewerb vieler

Für die Autorin setzt gute Wirtschaftspolitik auf die Ideen und den Wettbewerb vierer. Dass lässt Neues zu und zerstört Altes, wenn es sich nicht anpasst. Es braucht viele für den wirtschaftlichen Erfolg. Es braucht Kooperation und Kompromiss, aber vor allem Konkurrenz.
Donald Trump wird Schaden anrichten. Seine Wirtschaftspolitik der Stärke ist in Wahrheit eine der Schwäche: Man schadet den anderen, aber auch sich selbst. „Diese Politik trägt damit ihr Ende schon in sich.“

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Was für das Rentenpaket spricht – und was dagegen

Die Süddeutsche Zeitung stellt Argumente für und gegen das Rentenpaket gegenüber.
Die SPD will die Reform unbedingt, die FDP ist dagegen.

Argumente für das Paket

Verlässlichkeit

Das Rentenpaket bringt den Rentnern und nachfolgenden Jahrgängen Sicherheit. Bei sinkendem Niveau würden Rentner ärmer. Die Untergrenze sei eine „Erneuerung des Leistungsversprechens“ der Rentenversicherung.

Lastenteilung

Bei sinkendem Rentenniveau müssten Erwerbstätigen mehr fürs Alter versorgen. Viele können diese gar nicht leisten. Außerdem gilt die staatlich geförderte Riester-Rente als Flop.

Teilhabe

Durch die Rentenpläne würden die Ruheständler weiterhin am Wohlstand des Landes beteiligt, weil die Renten parallel zu den Löhnen stiegen.

Argumente gegen das Paket

Kosten

Kritiker nennen das Projekt „teuer, ungerecht und kurzsichtig“. Sie befürchten, dass der Rentenbeitrag um zwei Prozent steigen würden. Dadurch sinken das Nettoeinkommen der Arbeitnehmer und verteuern Arbeitsplätze.

Demografie

Der demografische Wandel belastet das Rentensystem ohnehin schon, das Rentenpakt würde die Situation noch verschärften.

Jüngere

Kritiker wie der Ökonom Börsch-Supan sehen „eine einseitige und massive Umverteilung zuungunsten der jüngeren Generation“. Bisher wurden die Kosten des demographischen Wandels geteilt, künftig würden die hier die Lasten einseitig den jüngeren Versicherten auferlegt.“

Dienstag, 17. September 2024

Globalisierung: Die Rechten klauen den Linken die Kapitalismuskritik

Jannis Brühl beschreibt in der Süddeutschen Zeitung den Themenklau von rechts: Lange waren es die Linken, die die Globalisierung kritisiert haben, nun wettern Rechte gegen den Kapitalismus.

Feindbild Globalisten

Donald Trump vermutet den Deep State in der Staatsbürokratie, Björn Höcke spricht von einer „kriegstreiberischen, globalistischen Elite“, die sogar die USA fremdbestimme, vermischt mit Verschwörungsgedanken über einen „Wirtschaftskrieg gegen Deutschland“. Das Feindbild „Globalisten“, es vereint die neuen nationalistischen Bewegungen von den USA über Ungarn bis Thüringen.

Globalisierung unter Druck

Der Freihandel, den die meisten Staaten mitgetragen haben und Deutschland reicher gemacht hat, ist an die Grenzen gekommen. Schlagwörter wie Decoupling, Derisking und das Drohen mit Zöllen bestimmen die Debatte. Mit der linken Solidarität - Afrikas Bauern leiden unter hochsubventionierten Landwirtschaftsexporten aus der EU! – hat die Kritik nichts mehr zu tun:
America first. Deutschland zuerst. Ich zuerst.

Politische Urheberrechtsverletzung durch die AfD

Linke kritisierten die Euro-Rettung und multinationale Konzerne. Intellektuelle wie der Soziologe Wolfgang Streeck attackieren heute die Globalisierung und lehnen „offene Grenzen“ ab. Diese Haltung wird von Sahra Wagenknecht gelobt. Aber trotz solcher Kontaktpunkte sind die Gemeinsamkeiten zwischen rechts und links in der Frage gering. Es handelt sich vielmehr um eine große politische Urheberrechtsverletzung durch AfD und Co.

Chauvinismus statt Solidarität

Hinter den anti-globalistischen Schlagworten steht eine wohlstandschauvinistische Verachtung. Motto: Wer ärmer ist als wir, wird wohl kulturell unterlegen sein, oder gar genetisch. Trump erhält Unterstützung durch Kapitalisten wie Elon Musk und Marc Andreesen, Molke-Milliardär hält Kontakt zu Alice Weide. Ihre Hoffnung: niedrigere Steuern für die Reichsten. Motto: Gegen Kapitalismus haben wir nichts, aber es gibt eben gute, nationale Kapitalisten – und böse Kapitalisten aus dem Ausland. Oft fließen antisemitische Ressentiments mit ein wie bei George Soros, der in seinem Geburtsland Ungarn von Viktor Orban verleumdet wird. Sie bieten sie wenig mehr als unternehmerfreundliche Politik, angereichert mit migrationsfeindlichen Parolen für die Wähler.

Man hätte den Widerstand als Warnung lesen können

Globalisierung ist anstrengender als behauptet und hat im Westen auch Jobs gekostet. Dies nutzen bereits vor Trump für ihre Agitation. Die politische Mitte hat diese Erschütterungen nicht ernst genommen. Die Rechte hat den Ball jetzt in einer vereinfachten, egoistisch-nationalistischen Variante aufgenommen. Nach Ansicht des Autors sollte es auch eine marktfreundliche Mitte geben.

Überzeugen die rechten Arbeiterführer?

Trumps Kandidat als Vizepräsident J. D. Vance gibt sich als rechter Arbeiterführer. Er setzt nicht nur weltweit, sondern auch in den USA auf mehr Staat, ist gegen Sozialkürzungen und für Gewerkschaften. Es bleibt abzuwarten, wie weit er gehen kann. Bei einer Wahlkampfveranstaltung war es bei einem Auftritt eines Gewerkschafters ruhig: Offensichtlich ist vielen rechten Aktivisten etwas unwohl dabei, leibhaftigen Vertretern der Arbeiter zuzuhören.

Donnerstag, 15. August 2024

Arbeitsmoral: Sind wir zu faul?

Carla Neuhaus behandelt in der ZEIT den immer wieder wiederholten Vorwurf, die Deutschen würden zu wenig arbeiten.

Menschen wollen weniger arbeiten

In einem Punkt sind sich Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) ausnahmsweise einig. Beide sagen: Die Menschen arbeiten zu wenig. Sie wollen Anreize, dass Menschen mehr arbeiten. Die Menschen wollten das Gegenteil – rund die Hälfte der Menschen würde gerne weniger arbeiten.

Fragwürdige Statistiken

Auf den ersten Blick geben Statistiken der OECD recht. In Deutschland kommt ein Erwerbstätiger auf 1340 Stunden im Jahr – in den USA 1811. Die OECD warnt selber vor Vergleichen, denn in die Berechnung fließen alle Beschäftigten ein, egal ob Voll- oder Teilzeit.
Arbeitet ein Mann 38,5 Stunden pro Woche und die Frau gar nicht, liegt die Jahresarbeitszeit bei 1732,5 Stunden. Geht der Mann auf 40 Stunden hoch und die Frau arbeitet 20 Stunden, sinkt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit auf 1350 Stunden – obwohl beide mehr arbeiten als vorher.
Der sarkastische Rat von Ökonomen: "Will Deutschland den Anschluss an die OECD schaffen, muss einfach nur jeder Teilzeitbeschäftigte ab morgen zu Hause bleiben."

Produktivität nimmt nicht mehr zu

Zählt man alle geleisteten zusammen, kommt mit 55 Milliarden Stunden ein Höchstwert seit der Wiedervereinigung heraus. Zählt man Selbständige hinzu ergeben sich sogar 62 Milliarden. Ohnehin sind die Zahlen nicht entscheidend, denn es kommt auf die Produktivität an. Diese nimmt aber tatsächlich kaum mehr zu. Ein Grund: Die Beschäftigung wächst vor allem in personalintensiven Bereichen – und eine Kraft kann nicht einfach noch mehr Kinder oder Senioren betreuen. Ein weiteres Problem ist, dass auf Dauer immer mehr Menschen auf dem Arbeitsmarkt fehlen.

Weniger arbeiten individuell sinnvoll, gesamtwirtschaftlich schlecht

Die aktuell diskutierte Viertagewoche ist für einzelne Personen nachvollziehbar, für die Wirtschaft schwierig. Der Mangel in einzelnen Berufen, z.B. bei Erzieherinnen, könnte sich sogar noch verschlimmern. Experten sehen deshalb vor allem bei Mangelberufen ein Problem.

Wie kann man Menschen zu mehr Arbeit bringen?

Tatsächlich arbeiten Menschen immer weniger

  • 1.340 Stunden haben die Deutschen 2023 im Schnitt gearbeitet. Einzig im Coronajahr 2020 war es noch weniger.
  • 31,6 Überstunden haben Arbeitnehmer im Jahr 2023 im Schnitt gemacht – deutlich weniger als früher.
  • 20 Tage waren Arbeitnehmer im letzten Jahr im Durchschnitt krankgeschrieben – ein Rekord.
  • 67 Prozent der Mütter arbeiten in Teilzeit, bei den Vätern sind es neun Prozent.

Finanzminister Lindern will Mehrarbeit steuerfrei stellen. Forscher sehen darin Fehlanreize, da Beschäftigte dann ihre vertragliche Arbeitszeit reduzieren und mehr steuerfreie Überstunden leisten könnten. Eine Beschränkung auf 40 Stunden ist gegenüber Teilzeitkräften nicht fair und juristisch kaum haltbar. Sinnvoller ist die Idee von Wirtschaftsminister Habeck, der Rentner zur Arbeit animieren will.
Der Sachverständigenrat der Bundesrepublik setzt bei Frauen in Teilzeit und fordert bessere Kinderbetreuung. Außerdem fordert sie eine Reform des Ehegattensplittings und eine Verschiebung des Renteneintrittsalter.

Keine Reform in Sicht

Es gäbe also Wege, dafür zu sorgen, dass wieder mehr gearbeitet wird in Deutschland. Nur sind sie nicht sehr populär. Die Regierung ist sich uneins und wird sich kaum zu einer großen Reform durchringen. Während die Deutschen insgesamt also weniger arbeiten, tut es die Regierung in dieser Sache vermutlich gar nicht.

Donnerstag, 8. August 2024

Mit Wirtschaftspolitik Wähler von AfD- und Trump zurückgewinnen

Alexander Hagelüken berichtet in der Süddeutschen Zeitung von einem Papier von Ökonomen, die eine Wirtschaftswende weg vom Markliberalismus fordern.

Wirtschaftliche Gründe für Aufschwung der Rechten

Der Rechtsruck in westlichen Demokratien wird häufig mit Migration und dem Kulturkampf begründet. Es gibt aber auch wirtschaftliche Gründe wie Ökonomen der „Berliner Deklaration“ betonen. Menschen erleben, wie sie durch Inflation weniger Geld haben, wie Jobs nach China verschwinden, während Vorstände Boni kassieren. Menschen fühlen sich machtlos – zurecht wie die Ökonomen nach 40 Jahren Neoliberalismus betonen.

Der Wohlstand der Menschen, nicht der Konzerne, muss in den politischen Fokus

Freie Märkte bringen Gutes aber auch Verliere. Nach neoliberaler Doktrin soll sich der Staat raushalten. Viele ärgern sich, dass sie keine Jobs mehr haben und wählen dann Rechtspopulisten.
Eine bessere Wirtschaftspolitik sollte die Globalisierung managen, in dem sie in betroffenen Regionen investiert. Der Staat verabschiedet sich vom Sparkurs, lässt genug Busse und Bahnen fahren und sichert die Rente. Das Geld soll von denen kommen, die besonders von der Globalisierung profitiert haben.

Rechtspopulisten weiten neoliberale Politik auf

Es ist ein Mythos des Neoliberalismus, dass von diesen Steuergeschenken für Reiche die ganze Gesellschaft profitiere. Der Autor nennt es „Tragik rechtspopulistischer Wähler“, dass die Heilsbringer diese Politik noch fortsetzen. SO hat Trump die Steuern für Vermögende noch gesenkt. Die Strafzölle haben keine neue Arbeit gebracht, sondern Vorteile der Globalisierung reduziert.

Wohlstand für alle

Demokratische Parteien begegnen den Rechtspopulisten am besten, indem sie den Menschen offensiv erklären, in welche Sackgasse deren Parolen führen. Und indem sie eine neue Wirtschaftspolitik etablieren, die sich weniger am Markt orientiert – und mehr am Wohlstand aller Menschen.

Donnerstag, 25. Juli 2024

Bürgergeld reformieren, aber nicht nach unten treten

 Simon Groß kritisiert in der Süddeutschen Zeitung die populistische Forderung nach einer Streichung des Bürgergelds.

Forderung nach kompletter Streichung für christliche Partei unwürdig

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte zuletzt eine komplette Streichung des Bürgergelds für die gefordert, die Arbeiten können. Damit stieß er auf großes Verständnis, denn spätestens mit der Inflation ist das Verständnis deutlich gesunken. Dennoch sollte die Politik nicht mit markigen Sprüchen einfache Lösungen versprechen. „Das ist populistisch und geht zulasten der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.“

Fehlentwicklungen kein Grund für Rückkehr zum alten System

Jahrelang hatte die SPD gebraucht, um sich von den Folgen des „selbst umgebundenen Jochs namens Hartz IV“ zu befreien. Analysen zeigen, dass man es mit dem Bürgergeld etwas zu gut gemeint hat und die Anreize zum Arbeiten verringert. Für Groß ist das aber kein Grund, um in das alte System zurückzukehren. Das Bundesverfassungsgericht hatte es bereits 2019 für unzulässig erklärt, Bezüge komplett zu streichen.

Maßnahmen würden mehr schaden

Der Autor argumentiert, dass eine komplette Streichung mehr Schaden anrichten würde. Zwar gibt es die Dreisten, die sich davor drücken, arbeiten zu gehen. Aber es gibt auch die anderen: Viele Langzeitarbeitslose haben psychische Probleme, sind suchtkrank, haben soziale Schwierigkeiten oder sind schlicht mit den Anforderungen der Behörden überfordert.

Reformen statt Abschaffung

Arbeitslose haben keine Lobby, ihre Beschwerden kann man leicht ignorieren. Auch wählen viele von ihnen nicht, es geht bei der nächsten Wahl also keine große Gefahr von ihnen aus. Dennoch sollten die Parteien der Versuchung verstehen, sich in radikalen Forderungen zu überbieten. Das Bürgergeld muss reformiert werden, man sollte aber nicht nach unten treten. 

Mehr Anreize schaffen

Alexander Hagelüken beschreibt in der Süddeutschen Zeitung, wie diese Anreize aussehen könnte. Er verweist auf den Arbeitsmarktforscher Weber, der „das richtige Maß“ fordert. Komplette Streichungen könnten im Extremfall in die Obdachlosigkeit führen. Er plädiert dafür, Jobs und Qualifizierung stärker zu verbinden, als dies bisher beim Bürgergeld geschieht. Das hätte den Vorteil, dass Arbeitslose nicht so lange weg vom Arbeitsmarkt bleiben, sondern schon mal berufstätig sind, während sie berufliche Zusatzkenntnisse erwerben. Außerdem sollten Bürgergeldempfänger mehr von ihrem zusätzlichen Verdienst behalten dürfen.
 



Dienstag, 4. Juni 2024

Wie Deutschland einmal fast die Welt rettete

Christian Stöcker schreibt in seiner Kolumne im SPIEGEL über die deutsche Energiepolitik – und wie sie fast einmal fast die Welt rettete.

Hermann Scheer – Vater der Energiewende

Hermann Scheer war jahrzehntelang Abgeordnete für meinen Wahlkreis Waiblingen und gilt als Vater der Energiewende. Er erkannte schon früh Der beschleunigte und umfassend angelegte Wechsel zu erneuerbaren Energien ist eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Existenzfrage. Es darf keine Zeit mehr verspielt werden.“

Naturkatastrophen und wirtschaftlicher Niedergang

Was hätte der viel zu früh verstorbene Politiker wohl zu der Hochwasserkatastrophe gesagt? Erfolgreiche Lobbyarbeit hat mit dazu beigetragen, dass die Klimakrise kaum mehr gesehen wird. Wir sehen viele Naturkatastrophen und einen wirtschaftlichen Niedergang.

Statt Energiewende Abhängigkeit von Russland und Petrostaaten

Zurecht lobte Scheer das Erneuerbare Energie Gesetz als Beitrag zur Mobilisierung erneuerbarer Energien auf der ganzen Welt. Unglücklicherweise regierten ab Scheers Tod 16 Jahre lang Bundesregierungen aus Union, FDP und auch der SPD, die Scheers Erbe vergaßen. Die Deutsche Solarindustrie und Teile der Windstrombranche wurde vernichtet, der Umstieg auf Elektromobilität wurde bekämpft. „Stattdessen: Abhängigkeit von Russland, Saudi-Arabien, Katar und anderen Petrostaaten.

China treibt die Transformation voran

Nun treibt China die Transformation voran. Die erneuerbare Stromerzeugung und Speichertechnologien wachsen weltweit, in Deutschland greifen die Bewahrer sterbender Industrien, Geschäftsmodelle und Technologien immer wieder erschreckend effektiv in die Politik ein. Autofirmen lobbyieren gegen den Wandel und versuchen diesen durch Strafzölle aufzuhalten.

Der größte Hebel

Als drittgrößte Volkswirtschaft hat Deutschland immer noch Einfluss, um einmal mehr bei der Rettung der Welt zu helfen. Der Rest der Welt wird nicht waren. Entweder die deutsche Branche schafft den Umstieg – oder China und Tesla machen den Weltmarkt unter sich aus.
Deshalb plädiert der Autor dafür, den Hebel endlich in Bewegung zu setzen.

Dienstag, 21. Mai 2024

Ampelkoalition: Das falsche Pedal

In der ZEIT kritisiert Mark Schieritz, dass der Ampel das Geld fehlt, um die großen Probleme zu lösen. Die Lösung könnte in der Veränderung der Schuldenbremse sein – die ist eh perdu.

Viele Gründe fürs Geld ausgeben

Der Autor nennt viele Krisen – und Gründe für Geld ausgeben: Der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise. „Es wäre schon ganz gut, wenn es eine handlungsfähige Regierung gäbe, die Antworten auf diese Herausforderungen formuliert.“ Die FDP fordert in einem Fünf-Punkte-Plan weniger Schulden und niedrigere Steuern, die SPD in einem Zehn-Punkte-Plan genau das Gegenteil. Statt Gesetze zu schreiben versuchen sich die Regierungsparteien zu profilieren.

Die Schuldenbremse hat keinen Bestand

Der Autor ist sich sicher, dass die Schuldenbremse kein Bestand haben wird. Die SPD und Grünen
sind ohnehin für Veränderungen und auch bei der Union plädieren Ministerpräsidenten für Veränderungen. „Es ist also keine politische Konstellation denkbar, in der die Schuldenbremse die nächsten Koalitionsverhandlungen überlebt.“ Eine Aufweichung könnte 40 Milliarden Euro bringen – davon müsste man ziemlich viele Bürgergeld abschaffen – und viermal das Budget des Entwicklungsministeriums streichen.

Einige Probleme ließen sich durch Geld lösen

Durch mehr Geld könnten einige Probleme gelöst werden, wie z.B. Schulden hoch und Steuern runter sowie Rüstung und Rente. Zukunftsprojekte wie die Energiewende könnten vorankommen. Der Autor glaubt nicht, dass die Regierung sich einigen kann, es bleibt die Gefahr, dass diese Regierung viele Altlasten hinterlässt – genauso wie die Vorgängerregierung.

Abgehängt aber schuldenfrei?

Deutschland ist mit einer Schuldenquote von 64,3 % im internationalen Vergleich ein Musterschüler – die USA und Großbritannien kommen mit dem Doppelten klar. Wissenschaftler haben einen öffentlichen Investitionsbedarf auf 600 Milliarden taxiert – will die Bundesregierung lieber schuldenfrei sein? „Lieber nicht“ fordert der Autor.

Freitag, 26. April 2024

Finanzkriminalität – eine unterschätzte Gefahr für die Demokratie

Markus Zydra beschreibt in der Süddeutschen Zeitung die Finanzkriminalität als unterschätzte Gefahr für die Demokratie.

Deutschlands renommierteste Staatsanwältin wirft hin

Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker hat in den letzten Jahren die deutschlandweite Hauptabteilung für Cum-Ex-Ermittlungen geleitet. Jetzt wechselt sie zur Bürgerbewegung Finanzwende. Sie beklagt, wie wenig Finanzkriminalität in Deutschland bekämpft wird. Geschätzte zwölf Milliarden Euro sollen Cum-Ex-Geschäfte die Steuerzahler gekostet haben.

Geldumschlagsplatz für Kriminelle und Demokratiegegner

Bundesregierungen aller Couleur haben Deutschland zu einem Geldumschlagplatz für Kriminelle und Demokratiegegner verkommen lassen. Durch Mafiabanden, Menschenhändler und Drogenbanden werden jährlich rund 100 Milliarden Euro gewaschen. Auch Terroristen und Extremisten nutzen die Anonymität des deutschen Finanzsystems. Auch der „Katargate, der Skandal um die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, wurde über Deutschland geschleust.

Die Bundesregierung bekämpft Finanzkriminalität nicht ausreichend

Während in anderen Staaten handeln haben deutsche Politik mehrheitlich überhaupt kein Interesse und wird häufig als Kavaliersdelikt gesehen: Motto: Dreckiges Geld nutzt der Wirtschaft, denn es bringt Wachstum. Das stimmt aber nicht, den Nachteil haben rechtsschaffende Firmen, die Steuern zahlen, während zig Milliarden durch international agierende Umsatzsteuerbetrüger verloren gehen.

Mehr Druck notwendig

Es ist vieles falsch gelaufen bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität. Der Autor fordert mehr Druck auf die Politiker und verweist auf die Erfahrungen aus dem Ausland. Besonders Finanzminister Lindner ist gefordert: Er sollte weniger reden, sondern einfach umsetzen - der Freiheit wegen.

Freitag, 22. März 2024

Die Schuldenbremse – eine Verrücktheit oder Schutz der nächsten Generation?

Über die Schuldenbremse wird in der Politik heiß diskutiert. Auch in meinem Seminar „Weder gut noch böse – über die Bedeutung von Schulden“ geht es um dieses Thema. Zum Thema Schulden haben ich schon einige Blogeinträge erstellt, u.a. die Frage, wie viel Schulden Deutschland sich leisten kann.

Die Schuldenbremse

Die Schuldenbremse steht seit 2009 im Grundgesetz, d.h. die aktuell diskutierten Veränderungen können auch nur mit Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat verändert werden. Die neue Regelung sieht für die Bundesländer seit 2020 ein vollständiges Verbot von neuen Schulen vor, im Bund besteht bereits seit 2016 die Regel, dass die Neuverschuldung maximal 0,35 % im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt betragen darf. In Ausnahmefällen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden – dies geschah während der Corona-Pandemie mehrmals.

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not

Die Befürworter der Schuldenbremse verweisen auf das Sprichwort, dass vorsorgliches Sparen in der Not hilfreich ist – und deshalb die letzten Krisen gut bewältigt werden konnten. Die Politik sollte bei den Ausgaben priorisieren und nicht der nächsten Generation übermäßige Schulen aufbürden.

Investitionen wichtiger

Der dänische Ökonom Kirkegaard nennt die Schuldenbremse im SPIEGEL eine Verrücktheit. Der nächsten Generation bringt es nichts, wenn die Schuldenbremse eingehalten wird, der Klimawandel aber nicht aufgehalten und wichtige Investitionen nicht getätigt werden. Er wehrt sich auch gegen den Vergleich mit der schwäbischen Hausfrau: Staaten sind darauf angelegt, ewig zu leben. Das funktioniert mit einer funktionierenden Wirtschaft.

Sachverständigenrat fordert Reformen

Der Sachverständigenrat fordert, die Schuldenbremse pragmatisch anzupassen. Die Stabilität soll gewährt, die Flexibilität erhöht werden. Nach der Anwendung der Ausnahmeklausel sollte es eine Übergangsphase geben, bis die Regeln wieder gelten. Die Grenze sollten in Abhängigkeit der Schuldenquote flexibel sein, lediglich bei einer Schuldenlast von über 90 % sollte weiterhin die Grenze von 0,35 % gelten, darunter soll eine höhere Quote erlaubt sein. Auch andere Experten fordern Änderungen, z.B. bei der Herausrechnung von Investitionen.

Schuldenbremse als Alleinstellungsmerkmal der FDP

Dazu wird es wohl nicht kommen, denn die FDP selbst nennt die Schuldenbremse ein Alleinstellungsmerkmal. Und sie hat recht, denn weltweit gibt es kaum jemand, der fordert in einer Rezession weiter zu sparen.

Samstag, 16. März 2024

Das Lieferkettengesetz: Ein bisschen Menschenwürde ist beschlossen

Jan Diesteldorf analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Debatte über das europäische Lieferkettengesetz: Ein bisschen Menschenwürde ist beschlossen. In einem Artikel mit Roland Preuß beschreibt er das Zustandekommen.

Von den ursprünglichen Ambitionen ist nur noch wenig übrig

In der Debatte ging es darum, welche Verantwortung Unternehmen für ihre Zulieferer haben und bis zu welchem Grad sie für Rechtsverstöße haften müssen. Das Gesetz bleibt eine gute Nachricht für Menschen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen – endlich werden Europas Unternehmen gezwungen, Verantwortung für die globalen Folgen ihres Handels zu übernehmen. Allerdings ist das Gesetz so beschnitten worden, dass nur noch große Unternehmen ihre Lieferketten überwachen und säubern müssen. Dass deutsche Verbandsvertreter da noch von einem "rabenschwarzen Tag für den Mittelstand" sprechen, ist lächerlich.

Ideologische Züge bei der FDP

Der Kompromiss trägt den Bedenken der FDP fast vollständig Rechnung, dennoch leisteten sie Widerstand. Das hat mit sachorientierter Politik nicht mehr viel zu tun. Deutschland enthielt sich, dennoch erreicht das Gesetz eine Mehrheit. Die Befürworter freuen sich: „Menschenrechte siegen über eine massive Lobbykampagne und FDP-Klientelpolitik“. Allerdings bleibt der Vorwurf, dass das etablierte Gesetzgebungsverfahren missachtet und das Europaparlament düpiert wurde.

Mittwoch, 14. Februar 2024

Befreit das Netz

Der Medienwissenschaftler Martin Andree und der Medienrechtler  Karl-Nikolaus Peifer kritisieren in der Süddeutschen Zeitung die Macht von Meta, Google und Musk. Ihre These: Eine Handvoll Tech-Konzerne beherrscht das Internet - dabei könnten wir das leicht ändern und obendrein noch unsere Demokratie retten.

Es läuft viel schief im digitalen Raum

Nachdem lange Zeit Elon Musk mit seiner Plattform X für Schlagzeilen sorgte, ist nun wieder Mark Zuckerberg ran. Bei einer Anhörung vor dem US-Senat ging es um Onliemobbing, sexuelle Ausbeutung und Suizide von jugendlichen als Folge der Nutzung sozialer Netzwerke.
Zeitgleich werden weiter fremdenfeindliche, rassistische und antidemokratische Inhalten verbreitet.
Die Digitalkonzerne tragen damit zur Destabilisierung der Demokratie bei. Die Unternehmen verdienen dabei prächtig – sie ziehen 80 bis 90 Prozent aller digitalen Werbeeinnahmen auf sich

Monopolbildung mit katastrophalen Folgen für Wirtschaft und Politik

Die schönen Utopien der digitalen Anfangszeit liegen in Scherben. Die digitalen Monopole der Netzkerne Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft und Tiktok ziehen den Großteil des digitalen Verkehrs an sich. Der Rest des Internets gleicht einem riesigen Friedhof. Die Tech-Riesen werden immer mehr Wertschöpfung absaugen, Anbieter aus Europa haben hier langfristig nicht die geringste Chance.

Ein Teufelskreis aus Digitalisierung, Monopolbildung und Verbreitung von Hass

Noch zerstörerischer sind die Effekte auf den Markt der Medien. Die drei größten Tech-Konzerne erzielen zwischen 80 und 90 Prozent der Werbeeinnahmen. Andere Redaktionen verlieren ihre Finanzierungsgrundlage. Der Teufelskreis aus Digitalisierung, Monopolbildung, algorithmischer Beschleunigung von Hass, Hetze, Häme und populistischen Parteien wird sich immer weiter beschleunigen. Die gigantische Dynamik von generativer KI für die Plattformen ist hier noch gar nicht mit eingerechnet.

Wir sind selbst schuld – und könnten es ändern

Diese Entwicklung ist Ergebnis der Fehlregulierung, denn wir haben uns jahrzehntelang immer wieder neu hinters Licht führen lassen. Wir - die Gesellschaft - könnten unsere Lage schnell verbessern, wenn wir einsehen würden, dass wir ausnahmslos alle von Big Tech übervorteilt werden. Es wäre möglich, die Monopole aufzubrechen. Wir könnten uns das Internet von Big Tech wieder zurückerobern.

Digitaler Neustart zur Befreiung im Netz

Dazu müssten der Staat, die Plattformen zwingen, die Urheber der Inhalte zu eröffnen, sofort würden wir den Traffic demokratisieren. Darüber hinaus könnten offene Standards dafür sorgen, dass Inhalte über Plattformgrenzen mitgenommen werden können. Außerdem müssten Übertragungswege und Inhalte getrennt werden und Drittanbieter zugelassen werden.
Die Plattformen verdienen Geld mit den Inhalten anderer, sogar mit strafbaren, rassistischen oder demokratiefeindlichen Inhalten. Deshalb fordern die Autoren, dass Intermediäre Inhalte nicht monetarisieren dürfen.

Wer Inhalte verbreitet, muss auch die Verantwortung dafür übernehmen

Wer die wirtschaftliche Verantwortung für strafbare Inhalte übernimmt, muss auch die inhaltliche Verantwortung übernehmen. Dazu benötigt es eine zentrale Anlaufstelle, die Big Tech auf Augenhöhe begegnen. Das Netz wird aktuell so reguliert, wie es die Digitalkonzerne wünschen. Innerhalb ihrer gigantischen Monopole regulieren sie sowieso uns und nicht mehr wir sie. Wir müssten die Souveränität zurückholen - innerhalb kürzester Zeit wäre die digitale Welt befreit.

Wir können den Hebel umlegen

Wenn wir uns das Netz zurückholen, haben Anbieter auf eigenen Domains wieder eine Chance, egal ob es sich um Redaktionen, Start-ups oder um den Rundfunk handelt. Hate Speech und Fake News könnten reduziert werden. Während unter den aktuellen Bedingungen digitaler Monopole niemand Geld in ein europäische Suchmaschinen stecken würde, könnte Europa wieder interessant werden.
Dass der "Digital Markets Act" und der "Digital Services Act" diesen dringend notwendigen Neustart nicht liefern, ist offensichtlich.
Ihr Plädoyer „Das deutsche Grundgesetz ist in nur neun Monaten entstanden. Wir aber schauen seit Jahren zu, wie unsere Demokratie und unsere freie Wirtschaft den digitalen Monopolen zum Opfer fallen. Dabei könnten wir den Hebel umlegen. Unsere Kinder würden es uns danken.“

Freitag, 12. Januar 2024

Bürgergeld: Der Mythos vom faulen Arbeitslosen

Alexander Hagelüken kritisiert in der Süddeutschen Zeitung den Mythos vom faulen Arbeitslosen und kritisiert die Opposition: Sie bedient nur das Klischee vom angeblich faulen Arbeitslosen. Es braucht aber in bestimmten Fällen mehr finanzielle Anreize zum Arbeiten.

Höheres Bürgergeld ist gerechtfertigt

Politiker wie Markus Söder behaupten immer wieder, dass sich Arbeit durch das Bürgergeld nicht mehr lohnt. Die deutliche Erhöhung der Leistungen am Anfang des Jahres hat zudem für Unruhe gesorgt. Diese 60 Euro sind weniger als es klingt, wenn man die Teuerungswelle für Wohnen, Essen und Strom im letzten Jahr ansieht. Da gleichzeitig auch der Mindestlohn erhöht wurde, bleibt klar: Mit Lohnarbeit verdient man immer mehr als die 563 Euro Bürgergeld im Monat.

Es muss auch zusätzliches Einkommen übrig bleiben

Das Problem ist jedoch, dass bei zusätzlicher Arbeit wenig zusätzlich übrigbleibt. Wer mehr als kümmerliche 520 Euro monatlich verdient, dem werden Sozialleistungen wie Wohngeld um bis zu 100 Prozent gekürzt. Notwendig ist auch ein Blick auf die Empfänger: Oft sind es Menschen mit geringer Qualifikation, mutlos nach längerer Arbeitslosigkeit, mit psychischen Problemen oder gewalttätigen Partnern - oder allem zusammen. Sie brauchen finanzielle Anreize für die Arbeit – und Unterstützung durch gute Betreuung. Was nicht hilft: wie manche Politiker der Union den Mythos vom faulen Arbeitslosen zu nähren, der es sich auf Kosten der Gesellschaft gut gehen lässt - mit 563 Euro Bürgergeld im Monat.