Claus Hulverscheidt, Nikolaus Piper, Markus Zydra beschäftigen
sich in der Süddeutschen Zeitung mit dem internationalen Finanzsystem und fragen: Was kommt nach dem Finanzkapitalismus.
Bretton Woods System und ungezügelter Finanzkapitalismus gescheitert
Vor 50 Jahren kollabierte das Bretton-Woods System. Mit
diesem System hatten sich die westlichen Nationen nach der Katastrophe des
Krieges fast drei Dekaden lang miteinander verbunden, aber auch aneinander
gekettet hatte. 44 Länder haben sich geeinigt, dass Währungen grundsätzlich
handelbar, jedoch an einen festen Wechselkurs an den Dollar gebunden sein
sollen. Im Gegenzug verpflichteten sich die USA, jedem beteiligten Staat
jederzeit pro 35 Dollar eine Feinunze Gold auszuzahlen. Sollte ein Land in
Schwierigkeiten geraten, könnte der neu zu gründende Internationale
Währungsfonds (IWF) zu Hilfe eilen. Aber auch das System des ungezügelten Finanzkapitalismus hat
seine Schwächen und viele Krisen: Öl-, Asien-, Dotcom-, Finanz- und zuletzt
Lieferkettenkrise.
Gründe für das Scheitern von Bretton Woods
Bereits 1971 kündigte Nixon sein Versprechen auf, Dollar in
Gold zu tauschen. 1973 ist das System endgültig gescheitert. In der Welt von
Bretton Woods kamen nur dann ausreichend Dollar in die Weltwirtschaft, wenn die
USA Handelsdefizite erwirtschafteten. In diesem Fall jedoch würden sich deren
Goldreserven schnell erschöpfen. Genau so wäre es gekommen, hätten die
Amerikaner nicht vorher die Reißleine gezogen.
Startschuss für die Hyperliberalisierung bis zum Crash 2008
Die Politik bekam in den 70er Jahren die Probleme steigender
Preise und Arbeitslosenzahlen nicht in den Griff. Um die Probleme endlich zu
lösen, setzten zunächst vor allem die USA und Großbritannien darauf, durch
massive Steuersenkungen, die Privatisierung von Staatsbetrieben und eine
teilweise Entmachtung der Gewerkschaften die Kräfte des freien Marktes zu
entfesseln. Dabei entstanden auch globale Kapitalmärkte, die immer komplexere,
immer riskantere, weltweit handelbare Finanzprodukte schufen, bis am Ende niemand mehr durchblickte. Das
Ergebnis war der Crash des Jahres 2008, der die Welt in die schwerste Krise
seit der Großen Depression der Dreißigerjahre stürzte. Die Corona-Pandemie und
der russische Überfall auf die Ukraine gaben dem System den Rest.
Ideologie und Dogmen sind zunehmend in den Hintergrund getreten
Fast niemand möchte zu einem der beiden Systeme zurück.
Wirtschaftsexperten wie Rüdiger Bachmann loben, dass die Debatte weniger von Ideologie
geprägt ist: "Märkte sind weder ein Wert an sich, noch sind sie
grundsätzlich böse. Und staatliche Eingriffe können sinnvoll sein oder aber ein
Fehler." Es gibt weiter Unterschiede, wie der Streit zwischen FDP und
Grüne zeigt: Konsolidierung des Haushalts, um mehr Geld für Investitionen
anstatt für Zinsen ausgeben zu können? Oder mehr Investitionen, um über mehr
Wachstum den Haushalt zu konsolidieren?
Markt zunutze machen, aber in engen Bahnen lenken
Die Autoren sehen in einem dritten Weg eine Lösung: der
Staat kann die Kräfte des Marktes weiter nutzen, lenkt sie aber engere Bahnen.
Die Globalisierung hat ihren Höhepunkt überschritten, bei der Frage wo produziert
und eingekauft wird, spielen sicherheitspolitische und geoökonomische Aspekte
eine größere Rolle. Der Staat kann Verbote verhängen, z.B. für den Kampf gegen
den Klimawandel, sollte andererseits aber auch die Freiheit nicht zu sehr
einschränken.
Feste Wechselkurse auf Regionen
Die Frage, ob feste oder frei schwankende Wechselkurse
besser geeignet sind, ist weiter nicht geklärt. Experten wie Peter Bofinger
sehen in regionalen Währungsräumen eine Lösung, die es im Moment mit dem US-Dollar,
dem Euro und dem chinesischen Yuan gibt. Währungsunionen können Probleme
bringen, wie das europäische System zeigt. Umgekehrt setze kaum noch jemand auf
völlig frei schwankende Wechselkurse. - jedes Land muss das Wechselkurssystem
finden, das am besten zu ihm passt.
Manchmal Hammer und manchmal Säge
Bachmann betont, dass Marktkräfte, staatliche Eingriffe, Wechselkurssysteme oder auch die Geldpolitik keine Frage des Glaubens, sondern politische Instrumente also Mittel zum Zweck sind. "Manchmal", so der Ökonom, "braucht man nun einmal einen Hammer und manchmal eine Säge".