Björn Finke und Claus Hulverscheidt beschäftigten sich in der Süddeutschen Zeitung mit Freihandelsabkommen. Nachdem ihre Zeit abgelaufen schien, sind sie wieder in aller Munde – was bringen Abkommen wie TTIP, Ceta und Mercosur?
Freihandelsabkommen wieder gefragt
Nach dem Scheitern des Freihandelsabkommen zwischen EU und USA schien die Zeit solcher Abkommen vorbei – nun sind sie wieder in aller Munde. Die EU verhandelt mit einigen Ländern und möchte den "Abschluss von Freihandelsabkommen mit dynamischen Wachstumsregionen, insbesondere in Asien-Pazifik" vorantreiben. Dies ist auch Teil einer China-Strategie, mit der die Abhängigkeit von China gelockert und neue Absatz- und Rohstoffmärkte gefunden werden sollen.
Nicht nur die Zeiten, auch die Handelsverträge selbst haben sich verändert
Aber nicht nur die Zeiten, sondern auch die Verträge haben sich geändert. Sie enthalten Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards und reduzieren auch die Möglichkeit für Unternehmen, Regierungen bei missliebigen Entscheidungen vor umstrittene Schiedsgerichte zu zerren.
EU hat viele Abkommen abgeschlossen – aber nicht mit den wichtigsten Partnern
Die EU hat mittlerweile 74 Präferenzverträge abgeschossen. Sie sehen in der Regel Abschaffung gegenseitiger Zölle vor und sollen den Handel erleichtern. Auf diese Länder entfallen 44 Prozent des gesamten Außenhandels. Durch den Handel soll auch die Versorgung mit kritischen Rohstoffen verbessert werden. Nicht bei diesen Staaten dabei sind – ausgerechnet – die wichtigen Handelspartner USA, China und Indien.
Sonderfall Großbritannien
Nicht zu den Erfolgsgeschichten zählt der Vertrag mit Großbritannien – hier ist der Handel gesunden. Der Vertrag ist allerdings ein Sonderfall, denn er sieht keine Handelserleichterungen vor, sondern sollte nach dem Austritt des Landes aus der EU im Gegenteil verhindern, dass sich die Geschäftsbedingungen massiv verschlechtern.
Debatte um Mercosur
Verhandelt wird derzeit mit Australien, Neuseeland, Chile, Mexiko, Indien, Indonesien und dem Mercosur-Block aus Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Dieser Vertrag ist der bisher umfangreichste und eigentlich seit 2019 fertig verhandelt. Es gibt vielfältige Kritik: an den Brandrodungen im Amazonas durch den damaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro sowie Umwelt- und Sozialstandards. Durch ein Zusatzprotokoll will man der Kritik begegnen.
Selbstbewusste Schwellenländer
Mittlerweile treten die Schwellenländer in Verhandlungen viel selbstbewusster auf als früher. Sie fordern eine Beteiligung an den Kosten ihrer Klimaschutzprogrammen, da der Erhalt des Regenwalds auch zur Rettung der Welt beiträgt. Sie sind sich auch ihrer Macht bei dringend benötigten Rohstoffen bewusst.
Handelsvereinfachungen statt "Europe first"
Aber auch Schwergewichte wie USA, China und Indien beharren auf ihrer Souveränität. In den USA gilt für Republikaner und Demoraten das Motto "America first". Auf diese neue Welt hat sich die EU noch nicht eingestellt. Eine Lösung könnten kleinere branchen- und sektorspezifische Verträge sein, bei denen man gemeinsame Interessen habe. Die EU scheint die letzte Bastion des echten Freihandels zu sein. Brüssel setzt auf breite Handelsvereinfachungen und nicht auf "Europe first". Kritiker nennen dieses Vorgehen eher naiv.