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Mittwoch, 29. März 2023

Was kommt nach dem Finanzkapitalismus?

Claus Hulverscheidt, Nikolaus Piper, Markus Zydra beschäftigen sich in der Süddeutschen Zeitung mit dem internationalen Finanzsystem und fragen: Was kommt nach dem Finanzkapitalismus.

Bretton Woods System und ungezügelter Finanzkapitalismus gescheitert

Vor 50 Jahren kollabierte das Bretton-Woods System. Mit diesem System hatten sich die westlichen Nationen nach der Katastrophe des Krieges fast drei Dekaden lang miteinander verbunden, aber auch aneinander gekettet hatte. 44 Länder haben sich geeinigt, dass Währungen grundsätzlich handelbar, jedoch an einen festen Wechselkurs an den Dollar gebunden sein sollen. Im Gegenzug verpflichteten sich die USA, jedem beteiligten Staat jederzeit pro 35 Dollar eine Feinunze Gold auszuzahlen. Sollte ein Land in Schwierigkeiten geraten, könnte der neu zu gründende Internationale Währungsfonds (IWF) zu Hilfe eilen. Aber auch das System des ungezügelten Finanzkapitalismus hat seine Schwächen und viele Krisen: Öl-, Asien-, Dotcom-, Finanz- und zuletzt Lieferkettenkrise.

Gründe für das Scheitern von Bretton Woods

Bereits 1971 kündigte Nixon sein Versprechen auf, Dollar in Gold zu tauschen. 1973 ist das System endgültig gescheitert. In der Welt von Bretton Woods kamen nur dann ausreichend Dollar in die Weltwirtschaft, wenn die USA Handelsdefizite erwirtschafteten. In diesem Fall jedoch würden sich deren Goldreserven schnell erschöpfen. Genau so wäre es gekommen, hätten die Amerikaner nicht vorher die Reißleine gezogen.

Startschuss für die Hyperliberalisierung bis zum Crash 2008

Die Politik bekam in den 70er Jahren die Probleme steigender Preise und Arbeitslosenzahlen nicht in den Griff. Um die Probleme endlich zu lösen, setzten zunächst vor allem die USA und Großbritannien darauf, durch massive Steuersenkungen, die Privatisierung von Staatsbetrieben und eine teilweise Entmachtung der Gewerkschaften die Kräfte des freien Marktes zu entfesseln. Dabei entstanden auch globale Kapitalmärkte, die immer komplexere, immer riskantere, weltweit handelbare Finanzprodukte schufen, bis am Ende niemand mehr durchblickte. Das Ergebnis war der Crash des Jahres 2008, der die Welt in die schwerste Krise seit der Großen Depression der Dreißigerjahre stürzte. Die Corona-Pandemie und der russische Überfall auf die Ukraine gaben dem System den Rest.

Ideologie und Dogmen sind zunehmend in den Hintergrund getreten

Fast niemand möchte zu einem der beiden Systeme zurück. Wirtschaftsexperten wie Rüdiger Bachmann loben, dass die Debatte weniger von Ideologie geprägt ist: "Märkte sind weder ein Wert an sich, noch sind sie grundsätzlich böse. Und staatliche Eingriffe können sinnvoll sein oder aber ein Fehler." Es gibt weiter Unterschiede, wie der Streit zwischen FDP und Grüne zeigt: Konsolidierung des Haushalts, um mehr Geld für Investitionen anstatt für Zinsen ausgeben zu können? Oder mehr Investitionen, um über mehr Wachstum den Haushalt zu konsolidieren?

Markt zunutze machen, aber in engen Bahnen lenken

Die Autoren sehen in einem dritten Weg eine Lösung: der Staat kann die Kräfte des Marktes weiter nutzen, lenkt sie aber engere Bahnen. Die Globalisierung hat ihren Höhepunkt überschritten, bei der Frage wo produziert und eingekauft wird, spielen sicherheitspolitische und geoökonomische Aspekte eine größere Rolle. Der Staat kann Verbote verhängen, z.B. für den Kampf gegen den Klimawandel, sollte andererseits aber auch die Freiheit nicht zu sehr einschränken.

Feste Wechselkurse auf Regionen

Die Frage, ob feste oder frei schwankende Wechselkurse besser geeignet sind, ist weiter nicht geklärt. Experten wie Peter Bofinger sehen in regionalen Währungsräumen eine Lösung, die es im Moment mit dem US-Dollar, dem Euro und dem chinesischen Yuan gibt. Währungsunionen können Probleme bringen, wie das europäische System zeigt. Umgekehrt setze kaum noch jemand auf völlig frei schwankende Wechselkurse. - jedes Land muss das Wechselkurssystem finden, das am besten zu ihm passt.

Manchmal Hammer und manchmal Säge

Bachmann betont, dass Marktkräfte, staatliche Eingriffe, Wechselkurssysteme oder auch die Geldpolitik keine Frage des Glaubens, sondern politische Instrumente also Mittel zum Zweck sind. "Manchmal", so der Ökonom, "braucht man nun einmal einen Hammer und manchmal eine Säge".