Michael Sauga kritisiert im SPIEGEL die Wahlprogramme, die keine Antwort auf die Wirtschaftskrise liefert. Er fordert, dass sich alle Parteien von Glaubenssätzen verabschieden.
Führen große Versprechen wieder zum kleinsten gemeinsamen Nenner
Die CDU verspricht eine gigantische Steuersenkung für alle, ohne die Finanzierung aufzuzeigen. SPD und Grüne wollen eine Vermögenssteuer, die nicht ausreichen würde. Zu befürchten ist, dass es wieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner rausläuft, vor allem wenn die CDU in ihrem Programm eisern zur Schuldenbremse bekennt. Am Ende könnte zum Tausch zusätzlicher Sozialleistungen herauslaufen: die Mütterrente der CSU gegen die Garantierente der SPD.
Grundsätzliche Fehlsteuerung im System
Lagerübergreifende Koalition führten 1966 und 2005 mit der Erhöhung der Altersgrenze für Renten zu großen Reformen. Die großen Koalitionen unter Angela Merkel haben dies nicht geschafft: von den zwischenzeitlich vorhandenen Reserven in dreistelliger Milliardenhöhe heute so gut wie nichts mehr übrig ist.
Beide Seiten müssen umdenken
Der Autor fordert beide Seiten zum Umdenken auf: Die Union muss akzeptieren, dass eine Steuersenkung für Arbeit und Investitionen ohne vorübergehend höhere Staatsschulden nicht zu haben ist. Das linke Lager sollte einsehen, dass eine Reform der Schuldenbremse zwingend von Reformen am Arbeitsmarkt und im Sozialsystem begleitet werden muss.
Ohne mehr Beschäftigung würde der Impuls steigender staatlicher Investitionsausgaben in höheren Preisen und Zinsen verpuffen.
Umdenken auch beim Arbeitskräftepotenzial
Auch beim Arbeitsmarkt fordert der Autor ein Umdenken: Vorschläge, wie in der Bundesrepublik wieder mehr qualifizierte Beschäftigung geschaffen werden kann, liegen seit Langem vor. Das Münchner Ifo-Institut hat gezeigt, wie Wohngeld, Kinderzuschlag und Bürgergeld beschäftigungsfördernd umgebaut werden können, ohne ihren sozialen Gehalt zu verlieren.
Die politischen Lager müssen umdenken: Die Union muss Abstriche bei Ehegattensplitting oder Minijobs akzeptieren, SPD und Grüne dürfen Rente mit 63 nicht länger für unantastbar erklären.
Letzte Chance für die politische Mitte
Denn klar ist auch: Diese Wahl könnte die letzte Chance für die Kräfte der politischen Mitte werden. Wenn es der nächsten Koalition nicht gelingt, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, könnte sich tatsächlich jener Abgrund auftun, von dem Populisten wie Elon Musk oder Alice Weidel bislang nur schwadronieren.