Claus Hulverscheidt analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Steuerkonzepte der Parteien im Wahlkampf. Er fordert die Kombination der Reformideen – so könnte ein schlüssiges Konzept entstehen.
Jahrzehntelanger Reformstau
Der Autor beklagt, dass jahrelang nichts passiert ist. Die letzten Minister, denen große Würfe gelangen, waren in den Nullerjahren die Herren Hans Eichel und Peer Steinbrück. Trotz vieler Ankündigungen hat Christian Lindern nicht viel beigetragen, da er sich durch eine kategorisches Nein zu allen Steuererhöhungen Handlungsspielräume verspielt hat.
Reichtum ist für den deutschen Fiskus offensichtlich keine Kategorie
Die Unternehmenssteuern sind im Vergleich ziemlich hoch, ein Grund warum Firmen schon aus steuerlichen Gründen zögern, in Deutschland zu investieren. Gleichzeitig ist Reichtum im deutschen System keine Kategorie. Nur drei Prozent des Steueraufkommen stammen aus „vermögensbezogenen Abgaben“ – in den USA und Großbritannien ist die Werte viermal so hoch.
Ideen nicht finanzierbar – oder zu zaghaft
Die Konzepte von Union, FDP und AfD sind zwar umfassend, aber nicht finanzierbar
Viele Vorschläge im Wahlkampf hält der Autor für sinnvoll, so ein höherer Grundfreibetrag und die Beseitigung des „Mittelstandsbauchs“, der vor allem untere Einkommensbereiche benachteiligt. In eine ähnliche Richtung gehen die Vorschläge wie Steuergutschriften für Niedrigverdiener oder Prämien für Investitionen. Das Problem ist: Die Konzepte von Union, FDP und AfD sind zwar umfassend, aber nicht finanzierbar, umgekehrt sind SPD, Grüne und BSW zu zaghaft.
Nötig ist ein Best-of
Der Autor hält deshalb eine Kombination für nötig: niedrigere Einkommensteuersätze im unteren und mittleren Bereich, ergänzt um eine Verringerung der Sozialbeiträge. Geringverdiener zahlen wenig Steuern, Steuersenkungen bringen ihnen also nicht viel. Einher gehen sollte dies mit einer Investitionsprämie und einer Senkung der Unternehmersteuerlast. Nicht die Ungleich der Einkommen ist das Problem, sondern die wachsende Ungleichheit der Vermögen. Deshalb sollten die Privilegien bei der Einkommenssteuer gestrichen und eine Vermögenssteuer erhoben werden. Schon eine maßvolle Belastung der 20 000 reichsten Deutschen – das sind Menschen mit mehr als 30 Millionen Euro Vermögen – brächte dem Staat pro Jahr eine zweistellige Milliardensumme ein.
Mathematische und moralische Defizite bei Union und FDP
Wenig begeistert ist der Autor von der Idee von Union und FD, das Geld statt bei den Reichen bei den Armen wieder reinzuholen. Dies zeugt von eklatanten mathematischen wie moralischen Defiziten.
Selbst wenn der Sozialmissbrauch eingedämmt wird, reicht die Summe nicht ansatzweise aus, um Einnahmeausfälle in zwei- oder gar dreistelliger Milliardenhöhe auszugleichen. Anbiederung an die AfD ist halt noch kein Steuerkonzept.