Alexander Hagelüken beschreibt in der Süddeutschen Zeitung die steigende Macht von Arbeitnehmern und die möglichen Folgen steigender Löhne.
Auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft
Vor einigen Generationen hatte Jean Fourastié eine Vision: Eine neue Dienstleistungsgesellschaft werde den Menschen bessere und besser bezahlte Jobs bescheren als die "knechtische Arbeit" auf dem Feld und in der Fabrik, sagte der Ökonom 1949 voraus. Drei Viertel der Deutschen arbeiten als Dienstleister, nicht alle sind gut bezahlt. Das ändert sich, denn die Alterung der Bevölkerung und die Alterung der Gesellschaft sorgt für mehr Macht und auch höhere Lohnsteigerung für viele Berufe.
Vorteile
Hageluken nennt drei Vorteile in dieser Entwicklung
Erster Vorteil: Mehr Gleichheit
Nachdem in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich Kapitalerträge gestiegen sind, sorgen stärkere Gehaltssteigerungen in den kommenden Jahren wären erst mal ein Aufholen. Die neue Macht der Arbeitnehmer wird die Macht der Firmeneigentümer zurückdrängen. Die Kluft zwischen Arm und Reich könnte reduziert werden.
Zweiter Vorteil: Weniger Crashrisiko
Lohnsteigerungen kurbeln den Konsum im Land an und schaffen Wachstum, das nicht an Exporten hängt. Dadurch sinkt die der Einfluss der Weltkonjunktur. Die Gefahr, dass Jobs abwandern bestehen bei vielen Dienstleistungen wie Haare schneiden und Kinderbetreuung nicht.
Dritter Vorteil: Mehr Wachstum
Höhere Lohnsteigerungen sind eine Folge des Personalmangels und könnten diesen mindern. Attraktivere Löhnen bewegen Menschen mehr zu arbeiten. Steigt der Preis der Arbeit, wird das die ganze Volkswirtschaft modernisieren. Unproduktive Firmen könnten in Schwierigkeiten geraten, die Beschäftigen werden in andere Branchen wechseln. Auch der Mindestlohn hat keine Arbeitslosen produziert, sondern zu Jobwechsel gebracht. Stärkere Lohnsteigerungen helfen also dem ganzen Land, indem sie Personalmangel mindern und den Wechsel in produktive Jobs anregen.
Dies bedeutet nicht, dass man einfach nur Gehälter zu erhöhen, die Firmen müssen sich die Löhne leisten können, sonst droht eine Abwanderung.
Risiken
Es gibt aber auch Risiken dieser Entwicklung
Erste Gefahr: Mehr Inflation
Experten befürchten eine höhere Inflation. Allerdings gehen Experten davon aus, dass nur ein kleiner Teil der aktuell hohen Inflation in den USA und Europa auf gestiegene Löhne zurückgehen. In Deutschland sind Ökonomen weitgehend einig, dass die Gewerkschaften durch die aktuellen Tarifabschlüsse noch keine Lohn-Preis-Spirale auslösen.
Zweite Gefahr: Weniger Jobs
Wenn menschliche Arbeit zu teuer wird, könnte sie durch Maschinen ersetzt werden. Diese Angst treibt die Menschen seit der Industrialisierung um. In den meisten Fällen arbeiten Maschinen mit Menschen, weggefallene Jobs konnten ersetzt werden. Die Automatisierung der letzten Jahre hat nicht zu einem Wegfall von Stellen gesorgt, im Gegenteil – die Beschäftigung nahm zu.
Dritte Gefahr: Zu viele Streiks
Aktuell wird häufig gestreikt Auch in den kommenden Jahren dürfte es mehr Arbeitskämpfe geben als gewohnt. Der Autor hält aber auch diese Gefahr für überschaubar: "Wir sind halt keine Franzosen."
Vorteile überwiegen
Hagelüken ist optimistisch, dass die Vorteile überwiegen - für die Beschäftigten selbst und fürs Land. Es gibt auch Risiken.