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Donnerstag, 28. August 2025

Digitale Ohnmacht - Deutschland im Bann von Big Tech"

Eine interessante Dokumentation in der ARD beschäftigt sich mit der Macht der Big Tech Unternehmen – und der Ohnmacht in Deutschland. Der Beginn des Films zeigt die Motivation der Filmemacher. Bei der Amtseinführung von Donald Trump stehen die wichtigsten Techunternehmen direkt hinter ihm – und wollen von ihm profitieren. 
Unsere Daten liegen zu großen Teilen auf den Servern von US-Unternehmen, die nicht demokratisch legitimiert noch an europäisches Recht gebunden sind. Die Dokumentation fragt, wie es so weit kommen konnten konnte. 
Das Video können Sie in der Mediathek und in einer gekürzten Version auf dem ARD-Youtube-Kanal anschauen 



Die Autoren gehen auf verschiedene Entwicklungen ein:

(Fehl)entscheidungen in Deutschland 

Viele innovative Ideen sind in Deutschland gestartet: MP3, die Plattform XING oder das Verzeichnis StudiVZ. Aus diesen guten Ideen entstanden aber wenige erfolgreiche Unternehmen – die Gewinne machten andere. Weitere Gründe für die Probleme in Deutschland sind die verschleppte Digitalisierung und zu geringe Unterstützung der innovativen Unternehmen. 

Was machen die USA anders?

In den vereinigten Staaten gibt es eine größere Risikobereitschaft und deutlich mehr Kapital. Die Sozialen Medien mussten keine Verantwortung für die Inhalte übernehmen. Zusammen mit dem weitgefassten Begriff von Meinungsfreiheit kann fast alles publiziert werden. Seit Trumps zweiter Amtszeit ist auch die Zeit der Faktenchecks vorbei. 
Die Medien konnten sich eine große Machtfülle in den USA und weltweit erarbeiten. Hinzu kommt die Macht der Regierung. Durch den Cloud Act müssen im Bedarfsfall alle Daten an Regierung weitergegeben werden. 

Reaktionen der Europäer 

Die sozialen Medien gewinnen auch in Europa an politischem Einfluss. Beim Sieg der Brexit-Befürworter gelten sie als entscheidend und auch in Deutschland begleiten sie den Aufstieg der AfD. In Deutschland. Mit dem sogenannten Facebook-Gesetz folgt bereits 2017 ein Gesetz, das der Verbreitung von Hass Einhalt gebieten soll. 
In Europa folgen zwei Gesetze: Der Digital Service Act soll die großen Anbieter zwingen, Hass und Lügen zu entfernen, der Digital Markets Act, der die Vormachtstellung verringern. Erste Strafen gegen Apple und Meta wurden verhängt, unklar ist wie es im laufenden Handelskonflikt weitergehen. 

Wie könnte es weitergehen?

Im Film kommen einige Personen zu Wort. 
Mathias Döpfner ist Chef des Axel-Springer-Verlags. Er sah die US-Konzerne lange als Vorbild, heute sieht er die Dominanz kritisch. Er erwartet eine  Revolution durch künstliche Intelligenz und hofft dabei auf echten Wettbewerb. 
Die EU-Abgeordnete Alexandra Geese kämpft für die digitalen Gesetze – und für Strafen. Sie fordert, dass die Europäer Rückgrat zeigen
Der Wissenschaftler Martin Andree fordert einen wehrhaften Staat: die Portale für ihre Inhalte haften müssen, sobald sie Geld damit verdienen. Das würde sie sehr schnell dazu bringen, illegale Inhalte zu löschen. 
Der neue Digitalminister Karsten Mildenberger möchte die Liebe zur Technologie mit Regulierung verbinden. 

Freitag, 15. August 2025

Gibt es Wohlstand ohne Wachstum?

Uwe Jean Heuser sagt in der ZEIT nein auf die Frage, ob es Wohlstand ohne Wachstum geben kann. Notwendig ist aus seiner Sicht aber eine andere Art des Wachstums. 

Vor 250 Jahren begann die Zeit des wachsenden Wohlstands 

Mit der industriellen Revolution begann vor 250 Jahren in Großbritannien die Zeit die industrielle Revolution – und die Zeit des wachsenden Wohlstands. Mithilfe von Maschinen und einer Arbeitsteilung über Ländergrenzen hinweg entwickelt die Wirtschaft eine neue Dynamik, und der normale Mensch, der von seinem Wesen her nach Austausch und Wohlstand strebt, kann endlich daran teilhaben. 
Adam Smith lieferte das gedankliche Fundament der modernen Ökologie. Die Hoffnung war, dass das Wachstum Fabrikanten reicht macht und später dann auch mittlere Schichten und Arbeiter. 
Bei allen Problemen und Kriegen blieb es dabei: eine wachsende, besser ausgebildete Bevölkerung und immer neue Technologien ließen die industriellen Volkswirtschaften stärker werden.

Es gibt kein Wachstum ohne Wohlstand 

Heute droht uns das Wachstum abhandenzukommen. Deutschland stagniert. Der dringend notwendige Klimawandel ist zwar langfristig der billigste Weg zur Erhaltung der Lebensgrundlagen, wird zunächst aber kosten. 
Die Hoffnung auf Wohlstand ohne Wachstum wird sich nicht erfüllen: der Kapitalismus kann nicht stillstehen: Neue Unternehmen erobern Marktanteile, Berufe gewinnen an Wert, andere Verlieren. Veränderungen sind unvermeidbar, solange es Innovationen gibt. Wenn zugleich aber die Wirtschaft insgesamt nicht wächst, heißt das: Was der eine dazugewinnt, müssen andere verlieren. Ohne Wachstum ist die Wirtschaft ein Nullsummenspiel.

Harte Verteilungskämpfe 

Es würde harte Verteilungskämpfe und wohl auch steigende Arbeitslosigkeit geben. Weniger Menschen zahlen in die Sozialkassen ein. Ohne Aussicht auf Wachstum würden die Unternehmer das Geld behalten oder an Anteilseigner auszahlen, statt zu investieren. Der Wohlstandsverfall würde sich verstärken, die Spannungen in der Gesellschaft zunehmen.
Mit ausbleibendem Wachstum gerät auch die Demokratie in Gefahr. Der Grund für die Abwahl sehen viele Wissenschaftler in der wirtschaftlichen Stagnation und nicht so sehr in der Migration. 
Trotz Innovationen wie Internet oder künstliche Intelligenz wächst die Produktivität weniger stark. Außerdem altern die Bevölkerungen, neue Hürden durch Protektionismus tun ihr übrigens. Der Fortschritt ist kaum merklich, Missmut verbreitet sich. Dies erklärt auch den Aufschwung populistischer Parteien. 

Kann eine stagnierende Wirtschaft stabil sein?

Durch steigende Schulden kann eine stagnierende Wirtschaft stabil sein. Der Staat könnte in Bildung und Infrastruktur investieren, Dienstleistungsjobs im öffentlichen Sektor schaffen, die ökologische Wende vorantreiben. Er könne den Menschen also auf seine Art Wohlstand bieten, während die privaten Investitionen zurückgehen. Manche Experten sehen darin sogar eine Dauerlösung: wenn Zentralbanken einen Teil der Staatsschulden aufkaufen, kann eine Nation ihre Schuldenquote drastisch erhöhen, ohne dass die Kredite zum Problem werden.

Japan – Land des Stillstands 

Öffentliche Schulden als eine Art Perpetuum mobile des Wohlstands - Japan versucht dies seit Jahren.  Japan hat eine stark alternde Bevölkerung und neue technische Entwicklungen lange ignoriert. Die Gesellschaft konnte stabil bleiben, da Veränderungen nur langsam kamen. Auch lässt der Inselstaat kaum Migration zu. Der Preis ist hoch – die Staatsverschuldung ist auf 240 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Veränderungen kommen kann voran, Japan steckt in der Vergangenheit fest. Mittlerweile stellen auch die Zinsen ein größer werdendes Problem dar. 

Kritik am Expansionsstreben seit den 1960er-Jahren

Kritik am ständigen Wunsch nach Wachstum gibt es seit langem. Im Jahr 1972 erschien der Bericht an den Club of Rome über die Grenzen des Wachstums. Zur Jahrtausendwende prägt Harman Daley den Begriff es unwirtschaftlichen Wachstums, da negative Umweltwirkungen mehr Schaden anrichten. Er forderte eine „stationäre Wirtschaft. Die Menschen sollen ihr Wirtschaften so weit begrenzen, dass der Ressourcenverbrauch wieder tragfähig wird für den Planeten. Auf diesem nachhaltigen Niveau würden dann der Lebensstandard und auch die Zielgröße der Bevölkerung festgelegt.

Hat die Degrowth-Bewegung die Lösung?

Ein Jahrzehnt später bekam die Idee einer Postwachstumsgesellschaft Zulauf. In Zeiten von Abschwüngen schwindet die Begeisterung für diese Ideen. 
Wissenschaftler wie Matthias Schmelzer verweisen auf weitere Probleme des Kapitalismus, z.B: die Ungleichheit. Er fordert deshalb eine grundlegende Umwandlung der Produktions- und Lebensweise, in der die Politik den öffentlichen Wohlstand stärken und die Industrie bremsen sollte. Luxuskonsum wie Privatjets sollten verhindert werden. Er kritisiert, dass Industrieländer ihren CO2-Ausstoß nur langsam verringert haben und resümiert: Es gibt keinen stabilen Wohlstand mit Wachstum.
Solch grundlegende Änderungen könnten nur durch eine gehörige Portion Planwirtschaft erreicht werden. Die Umsetzung würde zumindest in Demokratien schwierig und spätestens bei der nächsten Krise wollen die Menschen gewohntes Wachstum. 

Gefühlter Verlust im Vergleich zu anderen 

Für den Autor ist unsere Wahrnehmung entscheidend und nicht so sehr die Hegemonie der Kapitalisten. Der Psychologe Daniel Kahnemann zeigte, dass Menschen das was sie erhalten mit dem vergleichen, was andere bekommen. Fallen sie zurück, begreifen sie das als Verlust. Dieser Verlust ist schwer zu ertragen. Er ärgert sie mehr, als ein Gewinn sie freut. Darauf folgert der Autor: Jede stagnierende Gesellschaft, in der ein erheblicher Teil der Menschen etwas abgeben muss, schafft Unzufriedenheit. Für ein friedliches Miteinander ist also irgendeine Art von Wachstum nötig. 

Wachstum der Ideen 

Der Autor fordert deshalb ein Wachstum der Ideen und verweist auf die Arbeiten von Daniel Susskind. Dieser beschreibt, wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Bruttoinlandsprodukt ein einheitliches Wohlstandsmaß entwickelt hat. In seinem Buch „Abrechnung“ verweist er auf die positiven Entwicklungen und möchte deshalb das Wachstum nicht aufgeben, sondern retten. 
Er fordert ein Wachstum durch Ideen durch Investitionen in Forschung und Entwicklung. Er hält eine neue Wachstumsspirale für möglich, wenn Gesellschaften konsequent auf neue Ideen setzen. 
Gleichzeitig müssen die Nebenwirklungen eingedämmt werden. Er verweist auf die chinesische KI-Firma DeepSeek, die mit weniger Rechenleistung auskommt oder gemeinwohlorientierte Lösungen, die einem humanistischen Wertekanon folgen sollen. 
Im dritten Schritt fordert Susskind, dass Nationen Werturteile fällen: Nehmen wir an bestimmten Stellen soziale und ökologische Schäden in Kauf – oder opfern wir Wachstum. Dies erfolgt durch Abstimmungen – erst dann entstehe in der Bevölkerung ein Verständnis für die Kosten des traditionellen Wirtschaftens.

Demokratie braucht Wohlstand - und Wohlstand braucht Wachstum.

Der Autor hält diese Stufe für die entscheidende. Gesellschaften müssen lernen, zwischen verschiedenen Formen des Wachstums abzuwägen. Wenn es gut läuft, rücken die Menschen zusammen und entwickeln einen Wohlstandsbegriff jenseits von Konsum und Kapital: Solidarität und Gemeinschaftserlebnisse etwa, Kontrolle über das eigene Leben, eine intakte Natur. Sie könnten entscheiden: Wir wollen Wachstum, aber bitte ein anderes, ein weiter gefasstes als bisher.
Denn, so schließt der Autor: „Demokratie braucht Wohlstand – und Wohlstand braucht Wachstum.

Brauchen wir unendliches Wachstum? 

Ein Seminar aus meiner Themenliste befasst sich intensiv mit der Frage nach unendlichem Wachstum. In weiteren Seminaren geht es um die Politik Donald Trumps und die Zukunft des Wirtschaftssystems. 

Dienstag, 12. August 2025

Wirtschaftsgeschichte: Zölle rauf! Zölle runter!

Im April hatte ich in meinem Blog einen Artikel über die Geschichte von Zöllen veröffentlicht, heute präsentiere ich einen Artikel in der ZEIT von Jan-Ottmar Hesse, der das historische Auf und Ab von Zöllen genauer betrachtet.  

Hohe Getreidepreise als Hemmnis in der industriellen Revolution 

Zu Beginn der industriellen Revolution waren Textilunternehmen die Schlüsselindustrie. Aufgrund hoher Kosten für Lebensmittel konnten sie ihre Kosten nicht weiter senken. Diese kamen durch Zölle zustande, die im Interesse der Landbesitzer ausländischen Getreide verteuerten. Im Zuge der Industrialisierung gerät die Landwirtschaft in die Defensive, die Getreidezölle fallen. In der Folge sinken die Brotpreise, allerdings geraten einheimische Agrarproduzenten unter massiven Druck. Außerdem entfallen die Zölle als Einnahmequelle. 

Der Freihandelsimperialismus der Briten 

Wissenschaftlich adelt wird diese Politik durch die Theorien von David Ricardo, dessen Idee des komparativen Kostenvorteils besagt, dass Länder ihren Wohlstand durch Spezialisierung auf Güter bei gleichzeitigem Export von anderen Güter steigen können. Beim Siegeszug des Freihandels helfen die Briten militärisch nach, wie z.B. in China als sie sich durch zwei Opiumkriege „Vertragshäfen“ sichern. 
Forscher nennen dies Freihandelsimperialsmus.: Erst als das Land den Zugriff auf ausländische Rohstoffreserven gesichert hat, hat es den Freihandel zu einer Ideologie und begründet eine Ära, die bis heute als Beleg herangezogen wird. 

Fallende Zölle ermöglichen Wirtschaftsboom 

Auch in anderen europäischen Staaten verbreitet sich die Idee des Freihandels, u.a. durch den Deutschen Zollverein, der 1834 die Zollgrenzen seiner Mitglieder aufhebt. Dieser bildet die Grundlage für die „kleindeutsche Nationalstaatsgründung“. Frankreich und Großbritannien vereinbaren eine Meistbegünstigungsklausel, d.h. alle Vereinbarungen, die mit dritten Handelspartnern getroffen würden, gelten jeweils für die Vertragspartnern. en gelten sollen.
Der Autor betont, dass es weitere Gründe für den Boom gibt: das Bevölkerungswachstum, das hohe Innovationstempo, der Bau des europäischen Eisenbahnnetzes und institutionelle Reformen. Sie führen damit zu einer Intensivierung des Welthandels, obwohl am Ende des 19. Jahrhunderts die meisten Länder wieder Zölle erhöhen. 

Der Protektionismus kehrt zurück

Frankreich begann 1870 wieder mit Zöllen, v.a. gegen landwirtschaftliche Importe. Die USA schraubten seit 1861 die Zölle hinaus. Auch im deutschen Kaiserreich kam es aus innenpolitischen Gründen zu Zöllen. Bismarck hofft auf eine Einnahmequelle und setzt auf die Machtbasis der Konservativen. Die höheren Zölle werden durch sinkende Transportkosten ausgeglichen, insgesamt wird der Handel billiger. 
Der erste Weltkrieg schränkte den Handel. Danach versuchten viele Länder, ihre Industrie durch Außenzölle zu schützen. Die USA setzte die Zölle auf 60 %, sogar Großbritannien wurde zum Protektionisten. 

Zollsenkungswelle nach 1945 

Erst nach 1945 kommt es wieder zu Zollsenkungen. Für den Autor hängt die Durchsetzung des Freihandels nicht nur mit wissenschaftlichen Argumenten und politischer Überzeugungskraft seiner Befürworter ab, sondern auch von der ökonomischen Lage. Die Weltwirtschaftskrise verhindert Zollsenkungen und auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind es die günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen. Treibende Kraft ist dieses Mal die USA. Sie erheben nur einen Wertzoll, d.h. einen bestimmten Geldbetrag. Bei steigendem Handel und steigenden Preisen sinkt also der Zollsatz. 

USA profitiert als führende Wirtschaftsmacht 

Wie ehemals Großbritannien profitieren nun die USA als die weltweit führende Wirtschaftsmacht am meisten von den globalen Absatzmärkten. Sie sind die treibende Kraft hinter dem General Agreement on Tariffs and Trade, kurz Gatt. Ziel des Vertrags sind Zollsenkungen und der Abbau von Handelsbeschränkungen. 1995 wird das um China erweiterte Gatt in die World Trade Organization (WTO) überführt. Es gibt weiter Handelshindernisse, auch war der Freihandel nicht umfassend. Neben niedrigeren Zollsätzen gab es Protektionismus wie die europäische Agrarpolitik.

Wendepunkt Trump: Handel beruht nicht mehr auf Gegenseitigkeit 

Donald Trumps Politik ist ein Wendepunkt. In allen Phasen galt der Grundsatz der Reziprozität –Handelspolitik beruht auf Gegenseitigkeit. Die Regierung Trump erwartet einseitige Zugeständnisse – die Zollpolitik wird Schauplatz eines politischen Kräftemessens – und viele müssen oder wollen sich darauf einlassen. 

Zusammenstehen gegen Trump 

Die Zölle steigen bereits auf Werte nach der Weltwirtschaftskrise. Diese Entwicklung trifft amerikanische Konsumenten ebenso wie andere Länder. Der Autor fordert deshalb, dass sich die internationale Staatengemeinschaft die historischen Errungenschaften historische Errungenschaft einer wechselseitigen Handelspolitik gegen Trumps handelsimperialistische Kampfansagen zu verteidigen.

Zölle und Handelspolitik in meinen Seminaren 

In meinen Angeboten zur Wirtschaftspolitik habe ich zwei neue Angebote: Bei einem Seminar zur Zollpolitik geht es um die Frage, ob Trumps Politik erfolgreich sein kann. Im Seminar zu weltweiten Handelskonflikten geht es um die Zukunft des Freihandels. 


Donnerstag, 7. August 2025

Wer ist mächtiger: Trump oder der Dollar?

Roman Pletter schreibt in der ZEIT über die Bedeutung des Dollars – aus Anlass des Streits von Donald Trump mit Jerome Powell, dem Chef der amerikanischen Zentralbank. 

Falschmünzer in Gegenwart und Vergangenheit 

Von Kaiser Nero zu Friedrich der Große – viele versuchten Gold durch schlechtes Material zu versetzen und so zu schummeln. Donald Trump geht anders vor, wenn er versucht den Dollar zu entwerten, um Schulden leichter zurückzahlen zu können. Er versucht Einfluss auf die Zentralbank zu nehmen und fordert eine massive Senkung der Zinsen, um seine Schulden zu finanzieren. Der Chef der Zentralbank nimmt seine Aufgabe den Wert des Dollars zu schützen aber ernst und weigert sich bisher die Zinsen zu senken. 

Die Superkraft des Dollar 

Der Dollar hat eine Superkraft. Er ermöglichte den USA nach dem Bürgerkrieg den Aufstieg und einigte das Land. Der Glaube an die Stabilität des Dollar und des damit verbundenen Finanzsystems ist eine der zentralen Grundlagen amerikanischer Macht. Verschiedene Präsidenten versuchten gegen diese Macht anzukommen, der letzte war Richard Nixon. Er gab den Goldstandard auf, der jedem Dollar eine bestimmte Menge Gold garantierte. Die Inflation stieg, die Fed-Chef Paul Volcker mit Zinsen bis zu 20 Prozent ein brutales Ende setze. Die Folgen: Hohe Arbeitslosigkeit, steigende Hypothekenkredite und die Pleiten armer Staaten wie Argentinien und Sambia, die Schulden in Dollar aufgenommen hatten und sich die Zinsen nicht mehr leisten konnten.

Ökonomische Gewaltenteilung 

Unabhängige Zentralbanken sind die Antwort auf diese Versuche der Falschmünzerei. Sie sollen die Bürger schützen, damit eine Regierung Geld nicht aus politischen Gründen entwertet. Es wird heftig um die richtigen Maßnahmen gestritten, unstrittig ist aber Grundsatz, dass Banker die Zinsen erhöhen, wenn die Preise zu schnell steigen. Das wiederum reduziert den Lohnanstieg und damit den Druck auf die Preise für Produkte, die mit Lohnarbeit hergestellt werden. 

Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem 

Gegen diese wissenschaftliche Erkenntnis wehrten sich in der Vergangenheit der türkische Präsident Erdogan und nun Donald Trump. Der Arbeitsmarkt ist ausgelastet, die Zölle werden für Inflation sorgen – Gründe also gegen eine Zinssenkung. Zur Finanzierung der Steuererleichterungen will Trump aber niedrigere Zinsen. Anders als bei Erdogan wird aber die ganze Welt die Probleme spüren. Schon der Finanzminister von Nixon wusste: "Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem."
Damals war die Situation ähnlich: Amerika importierte mehr Waren, als es exportierte. Das wollte der Präsident ändern, indem er den Dollar abwertete und damit heimische Produkte billiger und ausländische teurer machte. Mit dem Ende des Bretton-Woods-System sank der Wert des Dollars. Nun fühlten sich viele Staaten um große Summen betrogen.

Dollar wurde sogar noch mächtiger 

Die Bedeutung des Dollars stieg danach sogar an: 54 Prozent aller Exportrechnungen werden heute in Dollar abgerechnet, obwohl der globale Handelsanteil der USA nur bei gut 17 Prozent liegt. Auch bei den Zentralbankreserven fallen fast 58 % auf den Dollar, gerade mal 20 % auf den Euro und den chinesischen Renminbi 2,2 %. Die USA fahren gut mit dieser Entwicklung. Mit ihren Dollars kaufen sie Güter im Ausland ein, diese fließen zurück in Investitionen und Wertpapiere. Nicht das Ausland nimmt die USA aus, indem sie dort Waren verkauft: die USA kaufen einen großen Teil auf Pump bei Ausländern., die die eingenommenen Dollars dann billig an die Amerikaner zurückverleihen.

Es geht um gewaltige Summen 

Globale Investoren u.a. Zentralbanken halten mit 8 Billionen Dollar rund 30 % der US-Staatsverschuldung. Der Markt für die Staatsanleihen ist das Fundament des globalen Finanzmarkts. In Krisen geht besonders viel Geld in die USA: Wenn die Welt untergeht, wird die US-Volkswirtschaft am längsten überdauern und die dortige Regierung als Letztes zahlungsunfähig. Diese Machtbasis kann kaum erschüttert werden, außer es kommt der Verdacht auf, dass der Dollar entwertet werden soll. Deshalb ist die Aufgabe von Powell so wichtig: Er muss die ökonomische Gewaltenteilung verteidigen, damit der Dollar nicht aus politischen Gründen entwertet wird. 

Militärische Macht und Weltwährungen 

Weltwährungen kommen und gehen: Nach der spanischen Währung, folgte im 17. und 18. Jahrhundert der niederländische Gulden. Bis 1914 dominierte das Britische Pfund. Danach teilte es sich den Status der Leitwährung mit dem US-Dollar, bis dieser 1945 allein übernahm. Es ist kein Zufall, dass es die militärisch dominanten Kräfte waren. Kenneth Rogoff schriebt dazu: "Militärische Macht und Währungsdominanz ergänzen sich gegenseitig." Zusätzlich bietet die USA eine Vielfalt von Anlagemöglichkeiten, den andere nicht bieten können. Europa hat keinen geeigneten Kapitalmarkt, China ist unattraktiv, weil der Rechtsstaat unsicher ist. So schnell wird Amerika seine Vormachtstellung nicht verlieren, dennoch ist der Wert des Dollars zum Euro bereits um 10 % gesunken. 

Falschmünzerei ab nächstem Jahr? 

Im kommenden Jahr darf Trump einen Nachfolger von Powell benennen. Wenn die neue Führung Trump nachgibt und die Anleihemärkte sie nicht sofort stoppen, werden die Amerikaner das später ausbaden müssen. Es kann kommen wie bei Nixon oder wie bei der Finanzkrise in den 2007 und die Spekulationsblase Kleinanlegern, Banken und Großinvestoren um die Ohren flog.
Diese Falschmünzerei hat eine lange Tradition und war in den Gründungsjahrzehnten sogar eine Hilfe beim Aufbau des Landes. Dann wurde der Dollar zur Mittel der Vereinigung. Für den Autor ist es skurrile Wendung der Geschichte, dass Donald Trump vom Secret Service beschützt wird - der war zum Ende des Bürgerkrieges gegründet worden, um Geldfälscher zu verfolgen.

Seminare zur Sozial- und Wirtschaftspolitik

Die Politik von Donald Trump betrifft viele meiner Themen. In meinen Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik geht es um Handelskonflikte, Zölle und die Bedeutung des Geldes.


Freitag, 18. Juli 2025

Europa muss Trump mit Gegenzöllen kontern

Alexander Hagelüken fordert in der Süddeutschen Zeitung, dass Europa im Handelskrieg Trump stärker unter Druck setzen müssen: Die EU ist der größte gemeinsame Markt der Welt. Sie sollte dem Wüterich im Weißen Haus die Stirn bieten, statt weiter um einen schlechten Handelsdeal zu betteln.

Trump will das Welthandelssystem zerstören 

Wieder Mal holt Trump die große Kanone raus: Er gibt der EU die Schuld am riesigen Handelsdefizit und droht erneut mit Zöllen. Statt entschieden entgegenzutreten verschiebt die EU Gegenzölle. Der Wüterich in Washington wird dies als Schwäche deuten. Trump will das Welthandelssystem mit einem fairen Austausch und fairen Regeln zerstören. Der Ökonom Julian Hinz sagt: „Donald Trump geht in eine Bar rein und prügelt sich mit allen.“ Trump setzt Zölle ein, damit sich amerikanische Firmen Konkurrenz vom Leibt halten, Steuersenkungen für Gutverdienter zu finanzieren und sich wie in Brasilien in die Innenpolitik souveräner Staaten einzumischen. 

Europa kann und muss selbstbewusst auftreten 

Der Autor fordert, dass Europa diese neuen geopolitische Realität anerkennt und nicht länger kuscht. Da die US-Zölle europäischen Unternehmen jetzt schon viel Geld kosten, sollte die EU mit Gegenzöllen reagieren. China hat mit Stärke reagiert und einiges erreicht. Auch die EU sollte selbstbewusst auftreten: die USA brauchen viele Produkte aus Europa, ohne die sich Trump die Renaissance der amerikanischen Industrie abschminken kann. 

Dienstleistungen der Tech-Unternehmen ins Visier nehmen 

In Trumps Berechnungen über das Defizit ist die enorme Stärke der Digitalkonzerne wie Google, Meta oder Netflix nicht dabei. Der Überschuss bei digitalen Dienstleistungen zeigt, dass die USA verwundbar ist – hier muss Europa eingreifen – mit Gesetzen und Steuern.

Nicht herumschubsen lassen 

Um ein gutes Ergebnis zu erreichen, muss Europa aufhören, sich von Trump mobben zu lassen. Der Deal auf einen Basiszoll von zehn Prozent wäre ein schlechter Deal, die der EU Milliarden Euro Wirtschaftsleistung kosten würde. Es wäre der Preis dafür, dass Europa sich selber verzwergt, statt Trump die Stirn zu bieten.

Seminare zu Trump und Zöllen 

In meinem aktualisierten Programm biete ich einige Seminare zur Politik von Donald Trump. Im Bereich Wirtschaft geht es um Zölle und die Zukunft des deutschen Wirtschaftsmodells. 

 

Dienstag, 10. Juni 2025

Merz' Sicht auf die Arbeitswelt ist verstaubt

Elisabeth Dosert kommentiert in der Süddeutschen Zeitung die Forderungen von Friedrich Merz, dass die Menschen in Deutschland mehr arbeiten soll, da Care Arbeit nicht berücksichtigt wird. 
 

Fragwürdiger Umgang mit Statistiken 

Merz begründet seine Forderung nach Arbeit mit dem Vergleich mit anderen Ländern. Dabei arbeiten in Deutschland mit 46 Millionen Menschen mehr denn je. Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeit, wodurch die Durchschnittsarbeitszeit sinkt. Vor allem Frauen arbeiten Teilzeit, würden sie alle aufhören, würde die Durchschnittsarbeitszeit steigen. 

Arbeit ist nicht nur Erwerbstätigkeit 

Mit seinem Vorwurf der Faulheit brüskiert auch die vielen Menschen, die Sorgearbeit leisten – und damit überwiegend Frauen. Das Volumen an Care-Arbeit, d.h. sich um Haushalt und die Familie kümmern liegt nach Studien mit 120 Milliarden Stunden rund doppelt so hoch wie die geleistete Erwerbsarbeit. Hinzu kommen Menschen, die ehrenamtlich in Vereinen und für andere Menschen einsetzen. Ohne diese Arbeit wäre der Wohlstand, der in Deutschland geschaffen wurde und immer noch geschaffen wird, gar nicht möglich. 

Weniger Beschimpfungen und mehr Wertschätzung für alle Arbeitenden 

Ohne die vielen Menschen, die sich unentgeltlich für die Gesellschaft einsetzen wären all die schönen Sondervermögen kraftlos. Weniger Beschimpfungen und mehr Wertschätzung für alle Arbeitenden, ob bezahlt oder unbezahlt, stünden Friedrich Merz gut an.

Seminar in meiner Themenliste 

Zu diesem Thema biete ich in meiner überarbeiteten Themenliste ein Seminar an. 


Freitag, 16. Mai 2025

EU-Alternativen zu US-Diensten

Anlässlich des Zollstreits mit den USA wird zur Zeit über Alternativen zu US-Anbietern bei Dienstleistungen diskutiert. Es gibt sie, aber (warum) werden sie auch genutzt?

EU-Alternativen zu US-Diensten

In der Süddeutschen Zeitung beschreiben Meike Schreiber, Simon Berlin und Nils Heck Alternativen.

Paypal: Gibt es auch auf europäisch

Bisherige Versuche waren nicht erfolgreich. Mit der neuen Zahlungs-App Wero gibt es nun eine Alternative. Der Dienst ermöglicht es, Geld ohne Iban zu senden und zu empfangen – allein mithilfe einer Telefonnummer oder E-Mail-Adresse, so wie bei Paypal. Ob der Durchbruch gelingt, hängt davon ab, ob Kunden die App nutzen und Onlineshops dieses Verfahren akzeptieren.

Whatsapp: Threema bietet Schweizer Diskretion und Sicherheit

Mit Instagram, Facebook und Whatsapp kontrolliert Meta drei der weltweit wichtigsten Kommunikationsplattformen. Die Chats auf WhatsApp verschlüsselt, landen aber auf den Servern. Eine datensparsamerer Messengerdienst ist der US-Dienst Signal. Der Schweizer Messenger Threema bietet sogar noch etwas mehr Anonymität, kostet aber einmalig sechs Euro ein geringer Preis für mehr Privatsphäre.

Mastercard und Visa: Die Girocard ist günstiger

Mastercard und Visa dominieren den Markt, in Deutschland gibt es aber mit der Girocard, hinter der die deutsche Kreditwirtschaft steht. Für Händler ist es günstiger, wenn Kunden mit der Girocard statt Visa- oder Mastercard bezahlen. Schwieriger ist es im Internet, wo die Karte ebenso wie im nichteuropäischen Ausland häufig nicht akzeptiert wird.

Google Translate: Das Kölner Start-up DeepL ist die Alternative

Das Kölner Start-up DeepL hat sich aufgrund technischer Überlegenheit zu einem Milliarden-Start-up mit mehr als 900 Mitarbeitern entwickelt, das den Vergleich mit Google nicht scheuen muss. Es ist ähnlich gut und manchmal sogar präziser, beherrscht aber mit 33 Sprachen noch nicht so viele wie die US-Konkurrenz. Mit Einschränkung funktioniert die Übersetzung kostenlos, für zahlende Kunde werden die Daten nicht gespeichert.

Gmail: Mailbox und Posteo erleichtern den Abschied von Google

Die deutschen Anbieter Mailbox und Posteo bieten günstige, sichere und datenschutzfreundliche Postfächer. Beide Dienste kosten in der Grundversion einen Euro pro Monat, sind werbefrei und legen großen Wert auf Nachhaltigkeit.

E-Books von Amazon: Bibliotheken werden unterschätzt

Bei „Stadtbibliothek“ denken viele an angestaubte Bücher. Es gibt aber viele Bibliotheken, die gegen eine geringe Gebühr Bücher online zur Verfügung stellen. Auch viele Buchhandlungen sind digitaler als man denkt und verkauft das E-Book zum gleichen Preis wie Amazon.

 

Einer muss den Anfang machen

Nils Heck kommentiert in der Süddeutschen Zeitung die Abhängigkeit von US-Technologien. Es gibt Alternativen, wir müssen Verantwortung übernehmen.

Die meisten Menschen nutzen die Tech- und Finanzkonzerne jeden Tag und haben bisher kaum über die Nachteile dieser Abhängigkeit nachgedacht. Mit der Wahl von Donald Trump hat sich dies geändert – es ist von digitaler Souveränität die Reden. Die Alternativen gibt es, aber nun müssen Taten folgen. Jemand muss anfangen, die europäische Alternative nutzen und andere auffordern zu folgen. Nur wenn Leute folgen, kann sich die alternative Lösung durchsetzen. „Jeder Einzelne zuerst, egal, was die anderen machen und was die Masse macht.

Der Wechsel ist nicht immer möglich, z.B. wenn das eigene Unternehmen andere Lösungen nutzt, auch für soziale Meiden und Navigation gibt es derzeit keine gleichwertigen Alternativen. In vielen Bereichen gibt es sie aber: Die Menschen müssen eben nur aufhören, davon zu reden. Und endlich machen.

Mittwoch, 30. April 2025

Wann Zölle Sinn ergeben – und warum sie trotzdem falsch sind

Lea Hampel schreibt in der Süddeutschen Zeitung über Zölle – wann sie Sinn ergeben und warum sie trotzdem falsch sind.

Entweder wir exportieren Waren, oder wir exportieren Menschen

Am Anfang nennt Hampel ein Zitat, das man auch in der heutigen Zeit erwarten könnte. Es kommt aber vom deutschen Reichskanzler Graf von Caprivi, der die Forderung nach Freihandel mit dem Satz: „Entweder wir exportieren Waren, oder wir exportieren Menschen“ begründete
In den Jahrhunderten davor haben Zölle immer eine wichtige Rolle gespielt: Großbritannien baute seine Vormachtstellung ab dem 15. Jahrhundert durch Zölle auf – und verzichtete, als es sich Freihandel leisten konnte. Die USA und von Caprivis Vorgänger Bismarck machten es ähnlich.

Zölle können sinnvoll sein

Der Cambridge-Ökonom nennt dies das „protektionistische Jahrhundert“. Unter den Zöllen hat auch die eigene Bevölkerung gelitten, unter anderem durch Hohe Brotpreise. Für den Historiker Jan-Otmar Hessen können Zölle für neu entstehende Industrien sinnvoll sind, solange sie nicht wettbewerbsfähig sind. Ebenso müssen die Zölle so bald wie möglich wieder abgeschafft werden. Außerdem drohen Gegenzölle und Investitionsunsicherheit. Für Trumps Zölle gilt dies nicht: er will alte Industrien zurückholen und sie wohl auch nicht abschaffen.

Trump holt Zölle aus der handelspolitischen Trickkiste zurück

Durch das Gatt-Abkommen wurde der internationale Handel nach dem 2. Weltkrieg geregelt und waren der Baustein eines globalen Wachstums und komplexer internationaler Produktionsketten.
Zölle waren lange Zeit kein Mittel für Handelskonflikte, wohl aber Quoten oder Subventionen. Es gibt mehrere Gründe, warum die USA nun wieder auf Zölle zurückgreift. Sie schwächen den Dollar, sind einfach und symbolträchtig. Sie verwenden Maßnahme einer alten, vermeintlich guten Zeit. Historiker Hesse nennt dies ein nationalistische Spektakel.

Zölle als populistisches Mittel – schon bei von Caprivi

Zölle funktionierten bereits bei Reichskanzler von Caprivi als populistisches Mittel. Von Caprivri lieferte mit seinem Zitat zwar den Grundstein für die deutsche Identität als Exportweltmeister. Aber er musste zurücktreten wegen des großen Widerstands der Unternehmerschaft. „Der Shitstorm und der Lobbyismus, sie sind nun mal ebenso wenig moderne Erfindungen wie der Protektionismus“.

Donnerstag, 20. März 2025

Babyboomer müssen für die Aufrüstung mitbezahlen

Lisa Nienhaus kommentiert in der Süddeutschen Zeitung das Schuldenpaket der neuen Regierung. Sie fordert: Babyboomer müssen für die Aufrüstung mitbezahlen, denn die junge Generation wird zu sehr belastet.
 

Neue Schulden belasten die nächste Generation

Die neue Regierung plant Schulden in Höhe von einer Billion Euro. Diese kommen zu den 2,5 Billionen bestehenden Schulden hinzu. Das ist eine Steigerung, für die das Land zuletzt 20 Jahre gebraucht hatte - inklusive Finanz- und Corona-Krise. Es ist ein irres großes Paket, Wahrscheinlich zu groß, meint die Autorin. Zwar kann man argumentieren, dass Deutschland mehr Geld in die Verteidigung steckt – aber warum über Schulden? Die Alten werden durch die neue Regierung durch eine höhere Mütterrente und bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Rentner ohnehin bevorzugt.

Es ist erstaunlich, wie wenig Protest von den Jungen kommt

Die jüngere Generation steckt in der Klemme: Durch Zinszahlungen werden ihre Spielräume geringer, gleichzeitig führen die Renten zu weiteren Engpässen: Die Babyboomer gehen nun in Rente und immer weniger Jüngere sind da, um das Geld dafür zu erarbeiten.
Erstaunlich leiste ist bisher der Protest, lediglich die Junge Union protestierte. Die Grünen konnten die sicherstellen, dass es beim Schuldenpaket um „zusätzliche“ Investitionen handelt. Aufschnüren lässt sich das Paket kaum mehr, man sollte allerdings genau hinschauen, was mit den Milliarden passiert.

Die Rentnergeneration soll zahlen

Kaum eine Generation hat so profitiert wie die Älteren. Sie haben in Frieden gelebt, haben es aber schleifen lassen, wenn es um die Sanierung von Straßen und Brücken gehen. Sie sollten jetzt ihren Anteil leisten, z.B. durch einen Steueraufschlag, wie es ihn bei der Wiedervereinigung gab. Man könnte die Renten an die Inflation, statt an die Lohnsteigerung. Wenn die Regierung unbedingt die Mütterrente erhöhen will, sollte sie das Geld bei der aktuellen Rentnergeneration holen. Allerdings hat die Autorin Zweifel, ob die bald Regierenden wie Friedrich Merz, 69, Saskia Esken, 63, und Markus Söder, 58 ihren Anteil leisten werden.

Freitag, 14. Februar 2025

Freihändler aller Länder, vereinigt euch

Jan Diesteldorf betont in der Süddeutschen Zeitung, dass gegen den Zollstreit mit Trump nur eins hilft: Freihändler aller Länder, vereinigt euch

Das Schlimmste trat ein

Die EU hatte noch gehofft, dass es nach Trumps Amtsantritt vielleicht nicht so schlimm wird, doch er tat was er versprochen hatte: Zölle gegen Mexiko, Kanada und China. Auch Europa hat er im Visiert: Es sei eine „Grausamkeit“, was die Partner auf dem alten Kontinent den USA angetan hätten, sagt Trump. Die Europäer betonen, dass sie vorbereitet sind. bloß keine Schwächen zeigen. Zurecht verweist die EU auf den Binnenmarkt mit 450 Millionen Menschen, der auch für die US-Unternehmen unverzichtbar ist.

Trumps Erpressungsmittel: Europas Sicherheit, IT und der Dollar

Trump verfügt jedoch über ein ultimatives Erpressungsmittel: die Sicherheitsgarantien für die europäischen Nato-Partner. Auch im IT-Bereich ist Europa abhängig: Software, Cloud-Dienste, Online-Plattformen – Trump könnte einfach den Stecker ziehen. Hinzu kommt die Dominanz des Dollars. Trump ist ein Geschäftsmann, aber es ist wie bei Mafia-Geschäften: Man kann mit diesen Leuten verhandeln, aber man hat nie viel zu gewinnen und schon gar nichts einzufordern.
Die EU könnte anbieten, mehr verflüssigtes Gas und Kriegswaffen zu kaufen, möglicherweise auch die Regulierung von Online-Plattformen.

Mit Freihändlern zusammentun

Der Autor sieht aber noch einen anderen Weg: sich mit Ländern zusammentun, die etwas für Handel übrig haben: Großbritannien, Kanada, Japan, Australien und Neuseeland, mit Mexiko, den Mercosur-Staaten Südamerikas oder gar Indien. So könnte Europa seine Schwäche kompensieren und Trump einheben. Die EU muss die Struktur ihrer Partnerschaften verändern und ihre externen Abhängigkeiten verringern: Das hört man in Brüssel oft, seit Jahren. Jetzt ist es an der Zeit, dies umzusetzen.

Sonntag, 19. Januar 2025

Die Wahrheit über unsere Rente

Der Titel der ZDF-Dokumentation „Die Wahrheit über unsere Rente“ ist zwar etwas reißerisch, und bisweilen etwas plakativ, wie Harald Hordych in der Süddeutschen Zeitung anmerkt, interessant und informativ ist sie allemal.

Boomer gehen in Rente

Die geburtenstarke Generation der Babyboomer – rund 14,5 Millionen – gehen in den nächsten Jahren in Rente. Die Gruppe der Rentner wird so stark und schnell wachsen, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Das Modell des Generationenvertrags wird in der bisherigen starren Form keine Zukunft haben.

Wirtschaftsweisen mahnen Reformen an

In der Dokumentation werden drei Wirtschaftsweise, die sich einig sind: Das bisherige Rentensystem, das darauf basiere, dass die Jüngeren mit ihren Rentenbeiträgen die Rente der Älteren finanzieren, „kann so nicht mehr funktionieren, das war komplett vorhersehbar“. Bereits jetzt muss der Staat zu den 282 Milliarden aus Rentenbeiträgen 112 Milliarden Steuergelder zuschießen.

Andere Länder machen es besser

Ein Blick auf andere Länder zeigt, wie es besser geht:

  • In Japan arbeiten die Menschen länger. Im Bereich wird aufgezeigt, wie über 60-Jährige vermittelt werden.
  • In Schweden wird ein Teil der Rentenbeiträge in Aktienfonds angelegt, mit hohen Renditen.
  • In Österreich zahlen Beamte, Selbständige und Angestellte in eine gemeinsame Rentenkasse ein.


Vorsicht vor allzu simplen, vermeintlichen Wahrheiten

Harald Hordych kritisiert die teilweise zu plakativen Beispiele des Films, so ein Ehepaar, dass es sich auf einer Kreuzfahrt gut gehen lässt. Auch der Moderator warnt vor allzu simplen, vermeintlichen Wahrheiten. Das zeigen auch Umfragen: nur 17 % wollen länger arbeiten, 18 % fordern höhere Beiträge. Die größte Zustimmung erhielt die Forderung, die Renten sollten langsamer steigen. Ob dies angesichts 40 % von Wähler*innen über 60 Jahre realistisch ist, wird sich zeigen. Es muss aber eine Lösung geben, die nicht nur auf Kosten der kommenden Generationen gehen.

Donnerstag, 16. Januar 2025

Eine Steuerreform, die Vorschläge der Parteien kombiniert?

Claus Hulverscheidt analysiert in der Süddeutschen Zeitung die Steuerkonzepte der Parteien im Wahlkampf. Er fordert die Kombination der Reformideen – so könnte ein schlüssiges Konzept entstehen.

Jahrzehntelanger Reformstau

Der Autor beklagt, dass jahrelang nichts passiert ist. Die letzten Minister, denen große Würfe gelangen, waren in den Nullerjahren die Herren Hans Eichel und Peer Steinbrück. Trotz vieler Ankündigungen hat Christian Lindern nicht viel beigetragen, da er sich durch ein kategorisches Nein zu allen Steuererhöhungen Handlungsspielräume verspielt hat.
 

Reichtum ist für den deutschen Fiskus offensichtlich keine Kategorie

Die Unternehmenssteuern sind im Vergleich ziemlich hoch, ein Grund warum Firmen schon aus steuerlichen Gründen zögern, in Deutschland zu investieren. Gleichzeitig ist Reichtum im deutschen System keine Kategorie. Nur drei Prozent des Steueraufkommens stammen aus „vermögensbezogenen Abgaben“ – in den USA und Großbritannien ist die Werte viermal so hoch.

Ideen nicht finanzierbar – oder zu zaghaft

Die Konzepte von Union, FDP und AfD sind zwar umfassend, aber nicht finanzierbar
Viele Vorschläge im Wahlkampf hält der Autor für sinnvoll, so ein höherer Grundfreibetrag und die Beseitigung des „Mittelstandsbauchs“, der vor allem untere Einkommensbereiche benachteiligt. In eine ähnliche Richtung gehen die Vorschläge wie Steuergutschriften für Niedrigverdiener oder Prämien für Investitionen. Das Problem ist: Die Konzepte von Union, FDP und AfD sind zwar umfassend, aber nicht finanzierbar, umgekehrt sind SPD, Grüne und BSW zu zaghaft.

Nötig ist ein Best-of

Der Autor hält deshalb eine Kombination für nötig: niedrigere Einkommensteuersätze im unteren und mittleren Bereich, ergänzt um eine Verringerung der Sozialbeiträge. Geringverdiener zahlen wenig Steuern, Steuersenkungen bringen ihnen also nicht viel. Einher gehen sollte dies mit einer Investitionsprämie und einer Senkung der Unternehmersteuerlast. Nicht die Ungleich der Einkommen ist das Problem, sondern die wachsende Ungleichheit der Vermögen. Deshalb sollten die Privilegien bei der Einkommenssteuer gestrichen und eine Vermögenssteuer erhoben werden. Schon eine maßvolle Belastung der 20 000 reichsten Deutschen – das sind Menschen mit mehr als 30 Millionen Euro Vermögen – brächte dem Staat pro Jahr eine zweistellige Milliardensumme ein.

Mathematische und moralische Defizite bei Union und FDP

Wenig begeistert ist der Autor von der Idee von Union und FD, das Geld statt bei den Reichen bei den Armen wieder reinzuholen. Dies zeugt von eklatanten mathematischen wie moralischen Defiziten.
Selbst wenn der Sozialmissbrauch eingedämmt wird, reicht die Summe nicht ansatzweise aus, um Einnahmeausfälle in zwei- oder gar dreistelliger Milliardenhöhe auszugleichen. Anbiederung an die AfD ist halt noch kein Steuerkonzept.

Dienstag, 14. Januar 2025

Ohne Tabubrüche wird es nicht gehen

Michael Sauga kritisiert im SPIEGEL die Wahlprogramme, die keine Antwort auf die Wirtschaftskrise liefert. Er fordert, dass sich alle Parteien von Glaubenssätzen verabschieden.

Führen große Versprechen wieder zum kleinsten gemeinsamen Nenner

Die CDU verspricht eine gigantische Steuersenkung für alle, ohne die Finanzierung aufzuzeigen. SPD und Grüne wollen eine Vermögenssteuer, die nicht ausreichen würde. Zu befürchten ist, dass es wieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner rausläuft, vor allem wenn die CDU in ihrem Programm eisern zur Schuldenbremse bekennt. Am Ende könnte zum Tausch zusätzlicher Sozialleistungen herauslaufen: die Mütterrente der CSU gegen die Garantierente der SPD.

Grundsätzliche Fehlsteuerung im System

Lagerübergreifende Koalition führten 1966 und 2005 mit der Erhöhung der Altersgrenze für Renten zu großen Reformen. Die großen Koalitionen unter Angela Merkel haben dies nicht geschafft: von den zwischenzeitlich vorhandenen Reserven in dreistelliger Milliardenhöhe heute so gut wie nichts mehr übrig ist.

Beide Seiten müssen umdenken

Der Autor fordert beide Seiten zum Umdenken auf: Die Union muss akzeptieren, dass eine Steuersenkung für Arbeit und Investitionen ohne vorübergehend höhere Staatsschulden nicht zu haben ist. Das linke Lager sollte einsehen, dass eine Reform der Schuldenbremse zwingend von Reformen am Arbeitsmarkt und im Sozialsystem begleitet werden muss.
Ohne mehr Beschäftigung würde der Impuls steigender staatlicher Investitionsausgaben in höheren Preisen und Zinsen verpuffen.

Umdenken auch beim Arbeitskräftepotenzial

Auch beim Arbeitsmarkt fordert der Autor ein Umdenken: Vorschläge, wie in der Bundesrepublik wieder mehr qualifizierte Beschäftigung geschaffen werden kann, liegen seit Langem vor. Das Münchner Ifo-Institut hat gezeigt, wie Wohngeld, Kinderzuschlag und Bürgergeld beschäftigungsfördernd umgebaut werden können, ohne ihren sozialen Gehalt zu verlieren.
Die politischen Lager müssen umdenken: Die Union muss Abstriche bei Ehegattensplitting oder Minijobs akzeptieren, SPD und Grüne dürfen Rente mit 63 nicht länger für unantastbar erklären.

Letzte Chance für die politische Mitte

Denn klar ist auch: Diese Wahl könnte die letzte Chance für die Kräfte der politischen Mitte werden. Wenn es der nächsten Koalition nicht gelingt, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, könnte sich tatsächlich jener Abgrund auftun, von dem Populisten wie Elon Musk oder Alice Weidel bislang nur schwadronieren.