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Donnerstag, 12. Dezember 2019

Staatsschulden - System außer Kontrolle?

Das Video ist schon etwas älter, aber es passt gut zur aktuellen Diskussion über Schulden und meiner Reihe über Schulden. Die Dokumentation zeigt eindrucksvoll die Geschichte der Verschuldung von Staaten, dem Aufbau nach dem 2. Weltkrieg, aber auch der massiven Probleme der letzten Jahrzehnte.

Eine riesige Maschine mit Zahnrädern und Kolben

Mir gefällt das Bild, um das komplexe Phänomen: Die Weltwirtschaft als gewaltiges Getriebe, das täglich neue Schulden produziert. Alle Staaten haben Schulden - kein Problem, solang das System nicht außer Kontrolle gerät.

Wendepunkt Liberalisierung und Finanzkrise

Die Autoren nennen die 1980er Jahre mit der Libereralisierung als Wendepunkt: Es gibt Kredite aus dem Nichts, extrem niedrige Zinsen führen zu einer Immoboilienblase, Problemen bei Banken, die letztlich auch Staaten in Gefahr brachten. Die Sparpolitik hat die Situation in den betroffenen Ländern aber noch verschlimmert.

Vermögensabgabe und Steuerflucht verhindern

In der Dokumentation wird auch Thomas Piketty zitiert, der die Reichen zur Kasse bitten und der Steuerflucht verhindern möchte. Ob das so kommt? Es ist in jedem Fall eine sehr sehenswerte Dokumentation:

Auf Dailymotion ist das Video verfügbar.

Donnerstag, 21. November 2019

30 Jahre Sieg des Kapitalismus - Abstieg eines Superstars

Vor 30 Jahren fiel die Mauer, der Kommunismus kollabierte und der Westen hat gewonnen. Thomas Fricke hat seine Zweifel und schildert in seinem Essay den Abstieg eines Superstars im SPIEGEL. Absolut lesenswert!

Fukuyamas Fehleinschätzung

Der US-Politologe Francis Fukuyama sah 1989 das Ende der Geschichte, der Westen hat gewonnen sein politisches (Demokratie) und wirtschaftliches (Kapitalismus) System werden sich überall durchsetzen.
Fricke verweist darauf, dass der Kapitalismus bereits vorher Probleme hatte: der Aktiencrash 1987, die umstrittene Politik von Thatcher und Reagan, aber „Wer gewinnt, hat Recht“.

Die Erde ist etwas glücklos

Den Zustand heute beschreibt er süffisant mit „Die Erde ist etwas glücklos“
  • Es drohen Klimakrisen;
  • das Auseinanderdriften von Reich und Arm hat vielerorts nur schwer tragbare Ausmaße erreicht;
  • bizarre Präsidenten einstmals marktwirtschaftlich vordenkender Nationen drohen mit Handelskriegen;
  • und mehr als die Hälfte der Erdbevölkerung wird von autokratisch oder populistisch Regierenden geführt, wie Nobelpreisträger Joseph Stiglitz jüngst ätzte.

Ende des Kommunismus ist kein Freischein für wirtschaftsliberale Experimente

Fricke wünscht sich nicht den Kommunismus zurück, sondern verweist auf Zwischenlösungen:
80 Prozent der Deutschen sagen der Umfrage zufolge, dass die Regierung Menschen stärker schützen sollte, wenn durch Globalisierung oder Digitalisierung in größerem Umfang der Abbau von Arbeitsplätzen drohe. Fast 90 Prozent wollen, dass wieder mehr in Schulen, Klimaschutz oder Bahn investiert werden sollte.
Das ist kein Sozialismus – sondern ein gesünderes Verständnis von Wirtschaften!

Freitag, 25. Oktober 2019

Die Bilanz von Mario Draghi - Retter des Euros oder Enteigner der Sparer?

Diesem Mann steht fast niemand neutral gegenüber. Für die einen ist er der Retter des Euros und der Euro-Länder, für die anderen die Ausgeburt des Bösen, der die Zinsen abgeschafft und damit die deutschen Sparer*innen enteignet hat. Wie so oft liegt die Wahrheit wohl dazwischen.

In dieser Presseschau möchte ich drei verschiedene Analysen näher betrachten, beginnend mit der euphorischsten.

Guter Italiener, ökonomisch überforderter Deutscher

Aus Anlass der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes schrieb Thomas Fricke auf SPIEGEL ONLINE eine euphorische Würdigung über Mario Draghi.
Er bezweifelt die Schuld Draghis an den Nullzinsen und verweist zurecht darauf, dass diese weltweit niedrig sind. Die Schweiz, die von vielen Euro-Gegner ja immer so euphorisch als Vorbild gefeiert wird, liegt der Zinssatz sogar noch niedriger.
Er gibt Wolfgang Schäuble die Schuld an der Krise und sieht in Draghi den Retter:
Wenn überhaupt, dann haben wir Mario Draghi, dem Italiener, zu verdanken, dass wir heute noch so eine stabile Währung haben. Weil er das korrigiert hat, was ein deutscher Finanzminister falsch gemacht hat: der nämlich in der akut eskalierenden Krise nicht richtig mit dem Geld umging, als er den Griechen zu Beginn der Krise, ziemlich genau vor zehn Jahren, jede Hilfe erst einmal stur versagte – was die Zweifel am Willen zur Krisenbewältigung erst nährte und die Panik an den Finanzmärkten erst eskalieren ließ.   

Euro-Retter mit wirtschaftlichen und politischen Risiken 

Positive und negative Seiten sieht Henrik Müller in seiner Kolumne Alles super, Mario?

Retter des Euros - und von Merkels Kanzlerschaft 

Müller würdigt die Rolle Draghis und verweis auf den Beginn zu Beginn seiner Amtszeit im Herbst 2011 mit dem drohenden Ende des Euros und einem globalen Finanzcrash. Durch seine legendäre Pressekonferenz den Euroraum mit allen Mitteln zusammenzuhalten im Sommer 2012 hat er der Spekulation ein Ende bereitet.

Es ist keine abwegige Annahme, dass ohne die hyperaktive EZB die Währungsunion entweder explodiert wäre - oder nur durch umfangreiche Transferzahlungen hätte gerettet werden können. In beiden Fällen wäre Angela Merkels Kanzlerschaft vermutlich längst beendet und Deutschlands politische Landschaft stärker fragmentiert, wie das in anderen Ländern längst der Fall ist. Dass Merkel immer noch in einer halbwegs stabilen Koalition regiert, verdankt sie nicht zuletzt dem EZB-Chef.

Draghi hinterlässt wirtschaftliche und politische Problembereiche

Müller verweist aber auch auf Probleme: Die billionenschwere Käufe sind nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen: negative Zinsen bei immer höherer Verschuldung von Staaten und Unternehmen, die bei der nächsten Rezession als Krisenverstärker herausstellen. Besonders seine letzte Entscheidung, Anleihekaufprogramme zu starten sorgte für politische Risse, die seine Nachfolgerin Lagarde nun kitten muss. 

Hat sich Draghi verrannt? 

Alexander Hagelüken argumentiert in seinem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung ähnlich: 
Europas Zentralbankchef hat sich enorme Verdienste um den Euro erworben, doch er hat zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Seine Nachfolgerin muss dringend umsteuern.

(Nicht nur) nach Ansicht von Hagelüken hat Draghi zu lange an der Politik des billigen Geldes festgehalten. Die Nullzinsen verzerren das Geschäftsleben und beschwören auf Dauer Spekulationsblase wie vor der Finanzkrise. 

Große Herausforderungen für Christine Lagarde 

In einem Punkt sind sich wohl alle einig: Christine Lagarde hat es angesichts der weltweiten Verwerfungen keinen leichten Job - man kann ihr nur Glück wünschen!

Freitag, 13. September 2019

Schulden – weder gut noch böse

Schulden sind ein sensibles Thema, das merke ich bei jedem Seminar, in dem es sich um Geld dreht.
Dabei sind Schulden an sich weder gut noch böse, sondern es kommt auf den Zusammenhang an.
Für einen Häuslebauer oder ein Unternehmer kann es absolut sinnvoll sein, Schulden aufzunehmen, um bereits jetzt über das Haus oder die Maschine zu verfügen, die dann später abbezahlt wird.

Über die Höhe der Schulden

Auch die Höhe der Schulden ist nicht immer entscheidend: Der amerikanische Milliardär J. Paul Getty, der sein Vermögen im Ölgeschäft aufgebaut hat, hat in Bezug auf Schulden mal gesagt: Wenn du der Bank 100 US-Dollar schuldest, dann ist das dein Problem. Wenn du der Bank 100 Millionen schuldest, dann ist es das Problem der Bank.

Verschuldete Staaten sind nicht (immer) arm

Industriestaaten sind wesentlich höher verschuldet als Entwicklungsländer, sowohl in Bezug auf die Höhe als auch das Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, das häufig als Gradmesser gesehen werden.
Wenig Schulden bedeutet also nicht unbedingt Reichtum, im Gegenteil gibt es bei den wenig verschuldeten Staaten viele, denen niemand Geld gibt.

Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt

Sogar die Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sind nicht immer ein verlässlicher Indikator. Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff hat mal die Schwelle von 90 % als kritische Marke genannt, bis ihm ein Student aufgezeigt hat, dass er sich verrechnet hat.
Lange Zeit hatte Spanien eine niedrigere Quote als Deutschland und während der Euro-Krise trotzdem massiv Probleme an Geld zu kommen – im Gegensatz zu Deutschland.

Inlands- vs. Auslandsschulden

Ein weiteres Kriterium ist die Unterscheidung zwischen Schulden im Inland und Ausland. Auslands-schulden könnten als politisches Druckmittel eingesetzt werden. Aber auch Schulden im Inland sind nicht unproblematisch, es besteht die Gefahr, dass alles kollabiert: Staat, Banken, Versicherungen – und letztlich auch das Vermögen der Bürger.

Dienstag, 2. April 2019

Abschied von der Globalisierung?

In den Samstag-Ausgaben der Süddeutschen Zeitung sind zwei interessante Essays erschienen, die sich mit der Vergangenheit und der Zukunft des Welthandels und der Globalisierung beschäftigen.

Erst kommen Zölle, dann folgt der Krieg

Der Titel des Essays von Nikolaus Piper ist etwas provokativ, die Bedeutung von Frieden beim internationalen Handel kann aber sicher nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Seine Thesen: Wohlstand ohne Welthandel ist nicht möglich. Sein Verdacht: Nicht nur Trump hat das nicht verstanden. Er hofft, dass Globalisierungsgegner von rechts und links aus der Geschichte lernen
In der Vergangenheit haben Konflikte beim Handel zu Kriegen geführt, wie z.B. die Boston Tea Party. Handel zwischen Länder wiederrum hat nicht zu Wohlstand, sondern auch zu Frieden geführt.

Die Globalisierung macht auch Angst

Die Globalisierung im 19. Jahrhundert schaffte zwar Wohlstand, sie machte aber auch Angst, und sie half den Armen nicht. So entstand einerseits eine linke Arbeiterbewegung, andererseits eine militante, nationalistische, antiliberale und meist auch antisemitische Rechte, die den Schutz der heimischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz verlangte.

Internationale Zusammenarbeit nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem Krieg entstanden Regeln für den internationalen Warenaustausch. Es entstanden der Internationale Währungsfonds IWF zur Versicherung gegen Zahlungsbilanzkrisen und das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT, aus dem später die Welthandelsorganisation hervorging.

Entwicklung kippt nach dem Kalten Krieg

Der Autor sieht in Chinas Verhalten ein Grund für die gegenwärtige Krise
Am 11. Dezember 2001 wurde China Mitglied der WTO und genießt alle Vorzüge dieser Mitgliedschaft. Es hält in der WTO aber bis heute den Status eines Entwicklungslandes und praktiziert mit dieser Begründung einen protektionistischen Schutz der eigenen Industrie, der für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde längst nicht mehr akzeptabel ist. 
Die Vorwürfe von Trump sind also ein Stück weit berechtigt, so der Autor: Auch deshalb hatte die WTO auch schon vor Trump viel von ihrer Autorität eingebüßt.

Wiederholt sich die Geschichte?

Wie im 19. Jahrhundert hat der grenzenlose Handel eine militante Antiglobalisierungsbewegung hervorgerufen. Zunächst kam der Protest nur von links. Die "Schlacht von Seattle" 1999 wird auch heute noch in der Szene als Erfolg gefeiert. Inzwischen haben sich auch die Rechtspopulisten des Themas angenommen. Das "alte Modell der Globalisierung" habe ausgedient, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán dem chinesischen Fernsehen. Und Trump ist dabei, die WTO vollends zu demontieren.

Abschied von der Welt-Wirtschaft

Ganz ähnlich argumentiert Jan Willmroth in seinem Essay Abschied von der Welt-Wirtschaft. Er sieht Anzeichen für eine De-Globalisierung und befürchtet einen katastrophalen Umbruch. Es geht nicht nur um Handel, sondern um die Zukunft internationaler Kooperation.

Die Ära der Globalisierung neigt sich dem Ende zu

Trotz aller Kritik hat die Globalisierung den Wohlstand in einem bisher nie gekannten Maße gemehrt. Nun droht ganzen Weltregionen eine Abwärtsspirale.
Die Gefahr, dass die Globalisierung in ihrer bisherigen Form nun enden könnte, ist eng verknüpft mit der Präsidentschaft von Donald Trump, in dessen Abschottungspolitik die stumpfe Gewalt eines Baseballschlägers auf die jahrzehntelang gewachsene Komplexität globaler Warenströme trifft.

Wie Piper sieht Willmroth den Beginn der Krise bereits im Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation: China nutzte eine billige Währung, erschwerte Ausländern den Marktzutritt und sperrte selektiv Importe aus. Diese doppelbödige Strategie wurde vielen Politikern zum Vorbild.
Den schwersten Schlag versetzte der Globalisierung aber ausgerechnet die globalisierten Finanzmärkte ab 2007. Hinzu kommt, dass sich für viele Menschen, z.B. die unteren Mittelschichten in den Industrieländern, das Wohlstandsversprechen der globalen Vernetzung nicht eingelöst hat.

Eine Handelsordnung für das neue Jahrtausend

Mit dem Autor ist zu hoffen, dass Trump und seine Mitstreiter die Welthandelsorganisation nicht beerdigen werden:
Vielleicht geschieht noch ein Wunder und es gelingt tatsächlich eine Reform, die eine Handelsordnung für ein neues Jahrhundert des Fortschritts begründet... Handelsschranken können Waffen sein, und wer diese einsetzt, wird sich auch anderer Methoden bedienen, sobald es ernst wird.

Sonntag, 10. März 2019

Die Geldflut


Ein interessanter Filmbericht über die Geldflut. Kritisiert wird unter anderem die mit der Geldflut einhergehende Umverteilung - wer hat dem wird gegeben.
Sicher muss man nicht alle Schlussfolgerungen teilen, so habe ich z.B. große Zweifel, ob das Vollgeld wirklich die Alternative ist, dennoch ein absolut sehenswerter Film:



So beschreiben die Macher ihren Film:

Seit Jahren betreiben die Notenbanken dieser Welt eine Politik des billigen Geldes, allen voran die EZB. Sie kauft marode Papiere um Banken zu retten, will das Wirtschaftswachstum ankurbeln, verschuldete Staaten stützen. Was die Staatshaushalte um hunderte Milliarden entlastet, ärgert auf der anderen Seite die Sparer: null Zinsen. Und die neue Geldschöpfung führt weltweit zu einer unkontrollierten, noch nie dagewesenen Geldflut. Experten warnen bereits vor neuen Blasen.
Beispiel Immobilien: Nicht nur in deutschen Großstädten explodieren die Preise. In London kostet ein Einzimmerappartement locker mehr als eine Million Euro. Und immer mehr Geld wandert weg von der realen Wirtschaft in den spekulativen Bereich. Im globalen Casino finden hochkomplexe Finanzwetten statt. Zocken ohne jede Kontrolle. Die Profiteure des Spiels stehen von vornherein fest. Die Reichen werden noch reicher, bei uns und weltweit. "Die Geldflut hat zu einer gefährlichen Umverteilung geführt ", kritisiert Prof. Max Otte, "wer hat dem wird gegeben".

Das Rentnerpaar Eich in Remagen sorgt sich: Was machen sie mit dem Geld ihrer Lebensversicherung bei diesen Niedrigzinsen? Auf dem Sparbuch schmilzt es einfach weg. Wer Schulden hat, darf sich dagegen freuen. Häuslesbauer etwa. Aber auch große Konzerne, die andere Unternehmen schlucken wollen: Sie leihen sich billiges Geld für ihre Zukäufe. Jüngstes Beispiel: Bayer und Monsanto.

Mit der Liberalisierung der Finanzmärkte entkoppelten sich Geldgeschäfte und Realwirtschaft. Heute benötigen nicht nur Banken immer neues, billiges Geld, sondern auch Staaten, um ihre Schuldenberge im Griff zu halten. Eine Art Schneeballsystem. Was passiert mit unserem Geld? Droht eine neue Krise? Der Film "Die große Geldflut" wirft einen neue

Freitag, 8. Februar 2019

10 Jahre Finanzkrise - bis zum nächsten Mal?

Zum zehnten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers und dem Beginn der Finanzkrise gab zahlreiche interessante Artikel und Kommentare.

Für die nächste Krise ist nicht vorgesorgt

Dies ist der zentrale Satz des Kommentars „Die Politik muss bei der Bankenrettung ehrlich sein“ von Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen Zeitung

Er kritisiert den Begriff Bankenrettung: Gerettet wurde jener Umverteilungsmechanismus aus Einlagenverwaltung und Kreditvergabe, der den Kern des Bankgeschäfts ausmacht und ohne den keine große Volkswirtschaft der Welt funktionieren kann. Gerettet wurden jedoch auch und vor allem die Kunden, deren Sparguthaben sich ganz oder teilweise in Luft aufgelöst hätten, hätte der Staat ein Institut nach dem anderen in die Pleite geschickt.

Hulverscheidts Kritik: Die Politik hat nicht genug getan: Zwar sind die großen Geldhäuser der Welt heute mit viel mehr Kapital ausgestattet als 2008, allerdings um den Preis, dass Teile ihres Geschäfts - und zwar die gefährlicheren - in die unregulierte Welt der Schattenbanken abwanderten. Man kann fast darauf wetten, dass die nächste Krise hier ihren Ursprung haben wird. Auch fehlen bis heute eine Finanztransaktionssteuer, ein Verbot des Hochfrequenzhandels und eine effiziente Begrenzung von Managergehältern. Vor allem aber mangelt es weiter an Offenheit: Warum etwa gibt es immer noch keine einfache Webseite, auf der die Krisenkosten aufgeschlüsselt und begründet werden?

Jede Familie zahlt 3000 Euro für Finanzkrise

Hulverscheidt beklagt auch, dass Zahlen erst auf eine Anfrage eines Abgeordneten publik wurden. Und die haben es in sich: Die Finanzkrise wird die deutschen Steuerzahler wohl mehr als 68 Milliarden Euro kosten – jede Familie zahlt 3000 Euro für die Finanzkrise.
Cerstin Gammelin kritisiert in ihrem Artikel darüber hinaus, dass die Folgen der Krise auch nach zehn Jahren noch nicht bewältigt sind. Bund, Länder und Kommunen sind weiter damit beschäftigt, heimische Banken zu stützen.

Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem Nichts losbrechen

Düster auch die Analyse von Ulrich Schäfer in der Süddeutschen Zeitung: Die nächste Finanzkrise kann scheinbar aus dem nichts losbrechen.

Schäfer wendet sich gegen die Kritik an der EZB und deren Chef Mario Draghi, der von vielen verantwortlich gemacht wird., sondern benennt als die wirkliche Schuldige: gierigen Spekulanten, trickreichen Investmentbankern und skrupellosen Händlern. Seiner Meinung nach wird hier der Gärtner zum Bock gemacht, denn die EZB hat mit ihrer Geldpolitik ja verhindert, dass die Staatsschuldenkrise in Europa ins Fiasko führte.

Mittellosen US-Bürgern wurden Ramschkredite aufgedrängt

Er sieht die Ursache vor allem in privaten Banken und Kredithaien, die mittellosen US-Bürgern ihre Ramschkredite aufdrängten. Investmentbanker schnürten die Kredite anschließend zu hochriskanten Wertpapieren und verschoben sie, versehen mit viel zu hohen Noten privater Ratingagenturen, rund um den Globus - ein Hütchenspiel, das ins Verderben führte. Auch den Vorwurf an die Aufsichtsbehörden lässt er nicht gelten, schließlich hat die Finanzlobby seit den späten 1980er-Jahren darauf gedrungen, die Kapitalmärkte zu deregulieren - die Politik ließ sich von diesem marktradikalen Denken infizieren.

Schattenbanken, Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften als Verursacher

Gefahren sieht er in den bis heute mächtige Schattenbanken, die ähnlich wie Geldhäuser agieren, aber viel schwächer überwacht werden; dazu zählen Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Gesellschaften. Sie verwalten etwa 34 Billionen Dollar - das entspricht der Hälfte dessen, was die Menschheit alljährlich erwirtschaftet. Zudem gibt es nach wie vor Abertausende Briefkastenfirmen, mit deren Hilfe die Finanzindustrie ihre Geschäfte abwickelt, sie sitzen in Steueroasen in der Karibik ebenso wie in Europa. Diese sogenannten Zweckgesellschaften haben meist nur einen Zweck: Sie sollen das Kapital strengerer staatlicher Kontrolle entziehen.

Die globale Ökonomie bleibt labil und krisenanfällig

Solange die Weltgemeinschaft es weiterhin zulässt, dass die Finanzindustrie ihre Geschäfte in solch trübe Gewässer leitet, besteht die Gefahr, dass scheinbar aus dem Nichts die nächste Finanzkrise losbricht. … Die globale Ökonomie ist und bleibt, trotz aller Maßnahmen, die Politiker ergriffen haben, labil und krisenanfällig.

Die Amateure

Der SPIEGEL-Artikel Die Amateure Ist leider für Abonnenten aufrufbar. Die Autoren kritisieren, dass bis heute nicht vollständig aufgearbeitet ist, welche Fehler die deutsche Politik gemacht hat– und damit die Saat für die nächste Krise gelegt hat.

„Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Nutzen. Aber mit horrenden Renditen“ so der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann. Das hielt die Deutsche Bank aber nicht davon ab, fleißig bei der Wetterei mitzuspielen. Die Autoren kritisieren, dass die Europäer nur halbherzig reagiert haben und anders als die USA mit Zwangskapitalisierung entschieden gehandelt haben.

Die nächste Finanzkrise wäre noch viel schlimmer

Ähnlich argumentiert William White, Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zwar sei Dank der staatlichen Konjunkturprogramme und der Stundung von Krediten die Rezession nach der Lehman-Pleite schnell überwunden worden. Aber die damaligen Notmaßnahmen hätten verhindert, dass Firmen wettbewerbsfähiger - oder vom Markt verschwinden würden. Mehr noch als früher seien die großen Banken heute viel zu groß, um fallen gelassen werden zu können wie einst Lehman. "Das Krisenmanagement hatte unbeabsichtigte Konsequenzen", sagte White. "Die Schulden sind höher als je zuvor, vor allem in den Schwellenländern und China."

Geld drucken als bisherige Rettungsstrategie nicht mehr möglich

Die bisherige Antwort auf die Krisen war Geld drucken: Nach jeder Krise sind die Zinsen niedriger und die Schulden höher. Seine Forderung: Entscheidend sei, so White weiter, dass die Zentralbanken endlich den Krisenmodus verließen und eine antizyklische Geldpolitik betrieben - also angesichts der weltweit gut laufenden Konjunktur die Zinsen erhöhten

Dann bis zum nächsten Mal

Auch Uwe Jean Heuser sieht in der ZEIT die Gefahr für den nächsten Crash. Er argumentiert, dass Finanzkrisen ein „exzessives Kreditwachstum“ vorausgeht – zu viel Geld wird verliehen. Das ist der Fall – sowohl Unternehmen, Staatshaushalte, der Finanzsektor und Privathaushalte haben in den letzten Jahren gigantische Schuldenberge aufgebaut. Die gigantischen Geldmengen haben einen Boom bei Aktionskursen und Immobilienpreisen ausgelöst, aber so der Autor „Irgendwo wartet der nächste Crash“.
Sehr lesenswert auch das Interview mit Gerhard Schick. Der grüne Bundestagsabgeordnete verlässt den Bundestag, um sich auf seine Arbeit bei der Bürgerbewegung Finanzwende zu konzentrieren.
Die Bewegung setzt sich u.a. für eine Schuldenbremse für Banken und eine unabhängige Finanzberatung ein.

Lehmans Lehren

Rudolf Hickel ist ein streitbarer Ökonom, der oft gegen den Mainstream argumentiert hat.
In einem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung würdigt er einige Maßnahmen von vor 10 Jahren – unter anderem die denkwürdige Versicherung von Angela Merkel und dem damaligen Finanzminister Steinbrück, dass die Einlagen der Sparer sicher sind. 
Andere Maßnahmen kritisiert er aber als nicht stimmig und schiebt die Schuld der einflussreichen Lobbyarbeit zu. Es ist das weltweit überschüssige Geldkapital, das immer wieder zu Spekulationsblasen führt. Die Treiber sind die Vermögenden und Einkommensstarken, die ihre illusorischen Renditeerwartungen auf völlig überschätzte Finanzmärkte konzentrieren.
Seine Forderung: Dabei würde es helfen, dem Übersparen entgegenzuwirken, indem Vermögen und Einkommen gerechter verteilt werden. Erwirtschaftetes Einkommen muss in die Realwirtschaft investiert werden. Dazu gehören auch Ausgaben für die öffentliche Infrastruktur, die einer nachhaltigen Wirtschaft nützen.

Donnerstag, 10. Januar 2019

Informationen - Erklärvideos von Explainity

Ein guter und einfacher Zugang zu Themen sind Erklärvideos. Explainity bietet tolle Erklärvideos und zum Thema Wirtschaft sogar eine ganze Serie:

Explainity-Serie zu Wirtschaftsthemen

Auf dem Youtube-Kanal von Explainity gibt es eine ganze Serie zum Thema Wirtschaft. Egal ob Spekulationsblase, Konjunkturzyklus oder die Euro-Krise. In dieser explainity-Playlist finden Sie viele Videos rund ums Thema "Wirtschaft".

Wirtschaftswachstum - hat es sich irgendwann ausgewachsen?

Ein Video möchte ich hier herausgreifen, denn es steht exemplarisch für das Thema – und viele Probleme: das Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaft soll stetig weiterwachsen. So wünscht es sich Politik, Industrie und der Handel. Aber wie wird Wirtschaftswachstum gemessen und ist die Wirtschaft vielleicht irgendwann ausgewachsen? Dies erklärt der folgende Film:

Samstag, 5. Januar 2019

Informationen - Wirtschaft - Definitionen

Bei der Suche nach Definitionen für Begriffe hilft meistens ein Blick in Wikipedia.

Wirtschaft – ein Gastgeber, der einschenkt?

Das Wort Wirtschaft wird von Wirt im Sinne von Gastgeber und bewirten im Sinne von (ein-)schenken abgeleitet.
Da helfen die Ursprünge von Ökonomie schon weiter, die aus den altgriechischen Begriffen für Haushalt und einteilen gebildet sind, auch wenn dies nur den privaten Haushalt umfasst.

Über knappe Ressourcen effizient entscheiden

Im Abschnitt Grundlagen folgen in drei Sätzen dann die zentralen Fragen der Wirtschaft:
Unter Wirtschaften werden alle menschlichen Aktivitäten verstanden, die mit dem Ziel einer bestmöglichen Bedürfnisbefriedigung planmäßig und effizient über knappe Ressourcen ent-scheiden.
Die Notwendigkeit zu Wirtschaften ergibt sich aus der Knappheit der Güter einerseits und der Unbegrenztheit der menschlichen Bedürfnisse andererseits.
Grundlegender Untersuchungsgegenstand der Volkswirtschaftslehre ist die Frage was wird wie (Allokation) und für wen (Distribution) produziert?

Unternehmen, private und öffentliche Haushalte als Akteure

Natürlich muss ich auch noch den ersten Satz zitieren, der dann auch die wichtigsten Akteure benennt:
Wirtschaft ist die Gesamtheit aller Einrichtungen und Handlungen, die der planvollen Befriedigung der Bedürfnisse dienen. Zu den wirtschaftlichen Einrichtungen gehören Unternehmen, private und öffentliche Haushalte, zu den Handlungen des Wirtschaftens Herstellung, Absatz, Tausch, Konsum, Umlauf, Verteilung und Recycling/Entsorgung von Gütern. Solche Zusammenhänge bestehen zum Beispiel auf welt-, volks-, stadt- und betriebs- und hauswirtschaftlicher Ebene.